Bundeswehreinsatz in Mali Zeit zu gehen?
Die schlechten Nachrichten aus Mali reißen nicht ab. Erstmalig hat auch Außenministerin Baerbock den Einsatz der Bundeswehr in dem Krisenstaat offen in Frage gestellt. Ist es Zeit für die Deutschen zu gehen?
Die Liste an Demütigungen, die Malis Militärregierung den Europäern zugefügt hat, ist mittlerweile beunruhigend lang. Den französischen Botschafter hat sie ausgewiesen, dänische Truppen aus dem Land geworfen, für deutsche Drohnen und Hubschrauber den Flugbetrieb eingeschränkt.
Ausgerechnet Moskau gegenüber verhält sich die Junta ausgesprochen zuvorkommend, hat ganz offiziell russische Soldaten, Ausbilder und Helikopter ins Land gelassen. Auch Söldner der berüchtigten Gruppe "Wagner" sind laut Bundesregierung in Mali aktiv.
"Es ist kein Geheimnis, dass Russland ein Interesse hat, den Westen zu spalten. Die Malier sind jetzt selbstbewusster durch die russische Militärhilfe, haben sich emanzipiert vom Westen. Man kann vermuten, dass da auch von Russen angestachelt wird", sagt Ulf Laessing, der die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako leitet. Was unweigerlich die Frage aufwirft: Will Mali uns und die Bundeswehr überhaupt noch?
Frankreich als "Bösewicht" verteufelt
Deutschland genieße nach wie vor einen sehr guten Ruf, meint Laessing im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten. Aber: Von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) gegen die Junta verhängte Sanktionen träfen die Bevölkerung hart. Für deren Schärfe und ganz allgemein werde Frankreich als "Bösewicht" verteufelt. Gelinge keine Vermittlung, könnten auch die Deutschen in diesen "Sog" geraten.
Auf Demonstrationen werden jedenfalls schon eifrig russische Fahnen geschwenkt. Doch dass russische Soldaten - 300 bis 500 sollen im Land sein - die Islamisten in den Griff bekämen, sollten die Europäer abziehen, glaubt Laessing nicht: "Die paar Russen, die hier sind, werden nicht den Konflikt lösen. Insofern spricht viel dafür, hier zu bleiben."
Diskussion innerhalb der EU
Ob die Bundeswehr aber wirklich in Mali bleiben kann angesichts der immer länger werdenden Liste an Zumutungen durch die Putschisten, darüber wird nun innerhalb der Bundesregierung - und innerhalb der EU - diskutiert. Man habe durchaus einiges erreicht in dem Land, heißt es aus dem Auswärtigen Amt: "Trotzdem stehen wir jetzt vor einer Situation, in der wir uns ehrlich fragen müssen, ob die Voraussetzungen für ein weiteres Engagement geben sind." So zitiert der Sprecher Christofer Burger seine Ministerin, Annalena Baerbock - die damit erstmals öffentlich den Einsatz ernsthaft in Frage stellt.
Vorerst dürfte das als Warnschuss an die Adresse der Militärjunta in Mali gemeint sein. Doch mit jedem kleinen Eskalationsschritt von Seiten Bamakos wird ein Ende der Mission wahrscheinlicher. "Es gibt derzeit noch keine konkrete Abzugsplanung", erklärt auf Nachfrage das Bundesverteidigungsministerium, das die Lage warnend "unbefriedigend“ nennt, die Ziele seien gegenwärtig nur "sehr begrenzt erreichbar."
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, schließt einen Abzug nicht mehr aus. "Es ist gut, dass die Außenministerin diesen Einsatz unter die Lupe nimmt und ihn nicht einfach unkritisch verlängert", sagte die FDP-Politikerin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Man werde sich ergebnisoffen mit dem Einsatz beschäftigen.
Mandate laufen im Mai ab
Dass fast die gesamte Sahel-Zone - Burkina Faso, der Tschad, Mali - mittlerweile eine Ansammlung von Putschisten-Regimes darstellt, verkompliziert die Lage zusätzlich. Viel hängt nun davon ab, wie sich die militärisch stark präsenten Franzosen verhalten, die gewillt scheinen, Soldaten abzuziehen oder in das Nachbarland Niger zu verlegen.
Was aber machen die deutschen zivilen Helfer, was macht dann die Bundeswehr? "Man muss realistisch sein, dass man hier keine Schweiz oder einen Rechtsstaat aufbauen können wird", meint Ulf Laessing, aber: "Wenn wir das Land verlassen, würden wir es Russland überlassen und zur Destabilisierung beitragen."
Das ist genau das Dilemma, in dem sich die Bundesregierung befindet. Im Mai laufen die Bundeswehr-Mandate für die Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission EUTM und der UN-Anti-Terror-Mission MINUSMA aus. Insbesondere die Trainingsmission wird weitgehend als Misserfolg gesehen. Sollten die Deutschen aber wirklich die über 1200 Soldatinnen und Soldaten komplett abziehen, dürfte das weitgehend als zweite bittere Niederlage nach Afghanistan wahrgenommen werden.