Vor CSU-Klausur in Seeon Bayerische Botschaften für Berlin
Den Kampf um die Kanzlerkandidatur hat Söder verloren. Still ist es um den CSU-Chef dennoch nicht geworden - im Gegenteil. Auch von der Klausur der CSU-Landesgruppe dürften Signale nach Berlin ausgehen.
"Wandern durch den weißen Winterwald ..." - Markus Söders sonore Stimme schallt an Heiligabend durch die sozialen Medien. Während andere Politiker sich in die Weihnachtspause verabschiedet haben, froh darüber, ein paar Tage aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, singt Bayerns Ministerpräsident seinen Followern ein Ständchen.
Etwas, das Friedrich Merz, dem Kanzlerkandidaten der Union, so wohl nie einfallen würde. Zwischen den Jahren steht das Land politisch weitgehend still. Es gibt eine Art Nachrichten-Vakuum, das der CSU-Chef für sich zu nutzen weiß. Fast täglich produziert er Schlagzeilen: "Söder will nach Bundestagswahl 'neue E-Mobilitätsprämie'. Söder droht mit CSU-Blockade bei Reform der Schuldenbremse. Söder garantiert bei Wahlsieg Regierungsbildung ohne Beteiligung der Grünen."
Auch wenn Söder höchstwahrscheinlich erst einmal nicht Kanzler werden wird, will er die Öffentlichkeit, aber wohl vor allem seine Parteifreunde wissen lassen, dass man auch in Zukunft nicht an ihm vorbeikommt. Reform der Schuldenbremse? Nur unter den Bedingungen, die Söder schreibt. So soll Bayern künftig weniger in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Schwarz-Grün? Würde er sich von Merz sehr teuer bezahlen lassen.
Bayerische Besonderheiten
Da es für Söder jetzt nicht nach Berlin geht, geht es ihm noch einmal mehr um Bayern. Das politische Ego Söders ist nicht kleiner geworden. Noch ist er in Bayern auf die Freien Wähler angewiesen. Eine absolute Mehrheit bei der nächsten Landtagswahl für die CSU: Das wäre doch mal wieder etwas.
Und so geht es auch der CSU-Landesgruppe im Bundestag wohl vor allem um eines: bayerische Interessen. Im Freistaat gibt es mehr Bevölkerung auf dem Land als im Rest der Republik. Das führt dazu, dass dort die traditionelle Gegenwehr gegen grüne Positionen in Bayern nochmal stärker ist.
Diese Befindlichkeiten wolle die CSU befriedigen, sagt die Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl von der Universität der Bundeswehr in München. In diese Strategie passt außerdem, dass Söder bereits vor Monaten das Bundeslandwirtschaftsministerium für seine Partei beansprucht hat. Der bayerische Bauernverbandspräsident soll es im Falle eines Wahlsiegs bekommen.
In Umfragen bei über 40 Prozent
Die Absage an die Grünen plus Personalversprechen an die bayerische Landbevölkerung - alles Maßnahmen, um die AfD und auch die in Bayern starken Freien Wähler von Hubert Aiwanger bundespolitisch in Schach zu halten.
Im Moment steht die CSU mit ihrem Kurs in Umfragen bei über 40 Prozent. 2021 war sie deutlich schlechter, sie hatte aber - bis auf eines - alle Direktmandate in Bayern geholt.
Die Freien Wähler könnten der CSU dieses Mal allerdings Konkurrenz machen und in Bayern mit beliebten Kommunal- und Landespolitikern mit drei Direktmandaten in den Bundestag einziehen. Das Alleinstellungsmerkmal einzige, ausschließliche "Bayernpartei" zu sein, wäre damit dahin. Etwas, was die CSU unbedingt verhindern will.
Scharfe Töne in der Migrationsdebatte
So setzt die CSU vor allem in der Migrationspolitik auf einen deutlich schärferen Ton. In einem Papier vor der Klausurtagung ist von einer "harten Kurskorrektur" und "einem Sicherheitsplan für ein Law-and-Order-Deutschland" die Rede. Zugewanderte sollen nur noch in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie ein auskömmliches Einkommen nachweisen können. "Wer straffällig wird, fliegt!", heißt es pointiert in dem Papier. Der nächste Bundesinnenminister soll zudem als erste Maßnahme die Möglichkeit zur Zurückweisung an den Grenzen schaffen.
Ob sich die scharf formulierten Maßnahmen in einem Rechtsstaat in der Praxis alle umsetzen lassen, wird von Experten zumindest bezweifelt. Und der scharfe Migrationskurs birgt für die Union im anstehenden Bundestagswahlkampf auch die Gefahr eines Überbietungswettkampfs mit der AfD. Während die Rechtspopulisten immer noch einen draufsetzen können, muss die Union nach einem Wahlsieg möglicherweise regieren. Nicht umsonst wollte Kanzlerkandidat Friedrich Merz möglichst keinen Migrationswahlkampf führen. Inhaltlich lobt CSU-Chef Söder das gemeinsame Unionswahlprogramm bei jeder Gelegenheit und geht dennoch gerade beim Thema Migration weiter als die Schwesterpartei CDU.
Bloß kein Koalitionswahlkampf
CDU und CSU inszenieren sich derzeit zwar als liebendes Geschwisterpaar. Es ist aber wie in vielen Familien: Das eine Geschwisterteil lässt dem anderen mehr durchgehen, weil es weiß, dass es sonst Streit gibt. So verdrehen viele im Konrad-Adenauer-Haus wegen der Anti-Grünen-Tiraden aus Bayern die Augen. Niemand in Berlin will einen Koalitionswahlkampf. Noch mehr will man allerdings den Eindruck vermeiden, dass irgendetwas zwischen CDU und CSU stehen könnte.
Wohl auch deswegen wird Merz bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Seeon dabei sein. Die Botschaft ist klar: "Wir stehen zusammen." Es wird sicher ein anderer Wahlkampf als 2021, als Söder dem damaligen Spitzenkandidaten der Union Armin Laschet fast schon Felsbrocken in den Weg schmiss.
Nach der K-Frage ist vor der K-Frage
Allerdings wird Söder wohl immer eine Art Kieselsteinchen in Merz' Schuh sein, der drückt, die Reise unbequem macht und den man einfach nicht vergessen kann. Denn nach der K-Frage ist vor der K-Frage. Sollte Merz es in Kanzleramt schaffen, ist offen, wie lange er dort bleiben wird. In vier Jahren, bei der nächsten Bundestagswahl, wäre er Mitte siebzig.
Hendrik Wüst sei dann der klare Nachfolger, heißt es aus der CDU. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident sei derzeit die klare Nummer zwei. Sätze, die Markus Söder nicht gern hören wird. Denn auch er wäre noch nicht zu alt, um es mit der Kanzlerkandidatur noch einmal zu versuchen. Aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei.
Doch auch Söder ist bewusst, dass er dazu nur eine Chance bekommen wird, wenn die CDU keinen eigenen adäquaten Kandidaten hat. In den nächsten Jahren muss Söder weiter dafür sorgen, politisch eine relevante Stimme zu bleiben. Es würde also nicht überraschen, wenn es weitere Söder Musikvideos gibt. So ist ihm nämlich eines zumindest sicher: Er macht von sich reden.