Liste sicherer Herkunftsländer Neuer Anlauf für Maghreb-Staaten
Das Kabinett will eine neue Liste sicherer Herkunftsländer beschließen - inmitten der Debatte um die Abschiebung von Sami A. nach Tunesien. Die Grünen sind dagegen und könnten das Vorhaben im Bundesrat blockieren.
Inmitten der Debatte um die Abschiebung des mutmaßlichen islamistischen Gefährders Sami A. nach Tunesien unternimmt die Bundesregierung einen erneuten Versuch, das Land als sicheren Herkunftsstaat einzustufen. Auch Algerien, Marokko und Georgien will das Kabinett auf die Liste setzen, um Abschiebungen in diese Länder zu erleichtern. Die Bundesregierung begründet das Vorhaben mit geringen Asylchancen der Bewerber aus diesen Staaten.
Grüne sind dagegen
Die Grünen lehnen das jedoch ab - insbesondere mit Blick auf Marokko, Tunesien und Algerien: "Noch immer gilt, dass in den Maghreb-Staaten Journalisten, Minderheiten und Homosexuelle nicht sicher sind vor Verfolgung und Haft", sagte der Parteivorsitzende Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es gibt Berichte über Folter und unfaire Gerichtsverfahren. Daher sehe ich nicht, dass diese Staaten sicher sind."
Die Große Koalition wollte die drei Maghreb-Staaten bereits in den vergangenen Jahren als sichere Herkunftsländer klassifizieren. Das hatten die Grünen allerdings durch ihr Nein im Bundesrat verhindert. Auch dieses Mal ist die Regierungskoalition in der Länderkammer auf die Hilfe der Grünen angewiesen.
Grünen-Vorsitzender Habeck hält das Konzept sicherer Herkunftsstaaten nicht für eine Lösung der Probleme bei den Abschiebungen.
Die Einstufung als sichere Herkunftsländer löse die Probleme nicht, sagte Habeck zum Vorhaben der Bundesregierung. "Wenn es darum geht, Menschen aus dem Maghreb schneller zurückzuführen, braucht man funktionierende Rückführungsabkommen. Wenn es darum geht, gegen Kriminalität in Deutschland vorzugehen, braucht man eine gut ausgestattete Polizei."
Im Fall von Georgien ist es der erste Versuch der Bundesregierung, das Land auf die Liste zu setzen. Darauf stehen bislang sechs Balkanstaaten sowie Ghana und Senegal.
Sami A. war am 13. Juli nach Tunesien abgeschoben worden.
Menschenrechtsverletzungen in Maghreb-Staaten?
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt ebenfalls vor dem geplanten Schritt. Das Konzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten berge die Gefahr, dass Anträge pauschal als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt würden, sagte eine Sprecherin. Es bestehe auch das Risiko, dass der individuelle Schutzbedarf eines Menschen nicht erkannt wird und er in eine Situation abgeschoben wird, in der Gefahr für Leib und Leben droht.
Deshalb lehne Amnesty dieses Konzept grundsätzlich ab. Gerade in den Maghreb-Staaten habe man etliche Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die asylrelevant seien, wie zum Beispiel Folter, die Unterdrückung der politischen Opposition und die Verfolgung homosexueller Menschen, erklärte die Organisation.
Ausnahmen für Auszubildende und Beschäftigte?
Sollten die Länder Georgien, Marokko, Tunesien und Algerien auf die Liste sicherer Herkunftsstaaten gesetzt werden, will Innenminister Horst Seehofer Beschäftigte, Auszubildende und angehende Azubis von Abschiebungen ausnehmen. Das berichten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland unter Berufung auf den Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums.
Asylbewerbern und Geduldeten, die spätestens am Tag des Kabinettsbeschlusses mit Zustimmung der Ausländerbehörde eine qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen haben, solle deren Fortsetzung ermöglicht werden, heißt es demnach in dem Gesetzesentwurf. Auch sollen Menschen bleiben können, die am Tag des Kabinettsbeschlusses in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.