Treffen im Kanzleramt Länder fordern mehr Flüchtlingshilfe vom Bund
Die Hauptlast der Flüchtlingskrise tragen Länder und Kommunen - die zugesicherten sechs Milliarden dürfen keine Einmalzahlung sein, fordern sie. Im Kanzleramt wurde über ein gemeinsames Flüchtlingspaket beraten.
Es klingt wie ein Déjà-vu. Kanzleramt: Peter Altmaier empfängt die Chefs der Staatskanzleien und Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Doch für den Kanzleramtschef ist das eine Mammut-Aufgabe und der Zeitdruck ist enorm. Auf dem Tisch liegt das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zum Umgang mit den Flüchtlingen. Es geht um sechs Milliarden Euro: Die Mittel im Bundeshaushalt 2016 sollen um drei Milliarden Euro erhöht werden, Länder und Kommunen sollen weitere drei Milliarden Euro erhalten.
Sechs Milliarden reichen hinten und vorne nicht aus
SPD-Regierungschefs wie die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft haben bereits scharfe Kritik geübt. Die Botschaft: Sechs Milliarden reichen hinten und vorne nicht aus. Hinzu kommt, dass nicht nur das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Debatte steht. Baden-Württemberg etwa will auch über den 5-Punkte-Plan reden, den Winfried Kretschmann und die stellvertretenden grünen Ministerpräsidenten vorgelegt haben.
Diskutiert werden soll ein so genanntes Kontingent-Modell. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn klar ist, dass Flüchtlinge aus Syrien zu 100 Prozent anerkannt werden, dann könnte ein Kontingent von Flüchtlingen nach einer Prüfung aus dem Asylverfahren herausgenommen werden. Die Flüchtlinge aus dem Kontingent könnten dann direkt anerkannt werden, um deutsche Behörden zu entlasten.
Am 24. September muss man sich einig sein
Das Besondere an der Runde im Kanzleramt: Sie ist dazu verdammt, in zentralen Fragen Fortschritte zu machen. Das sieht der straffe Zeitplan vor, den die Bundesregierung vorgibt: Erst die Absprachen bei Altmaier, dann müssen schleunigst die Gesetzesänderungen vorbereitet werden. Beispiele sind die Einstufung neuer Länder als sichere Herkunftsstaaten, Abweichungen bei den baulichen Standards für Flüchtlingsheime oder zusätzliche Integrationsmaßnahmen.
Bis zum 24. September muss die Einigung da sein. Dann ist der Flüchtlingsgipfel mit der Bundeskanzlerin und bis dahin müssen die Gesetzesvorhaben abgestimmt und präsentabel sein. Im Oktober sollen sie ins Parlament eingebracht werden. Die Bundesländer wollen diesen ambitionierten Fahrplan zwar einhalten, ihre Änderungswünsche werden sie dennoch vorbringen.
So ist aus Kreisen der baden-württembergischen Landesregierung zu hören: Man würde die Kritik von Hannelore Kraft am Maßnahmenpaket zwar nicht in der gleichen Schärfe vorbringen wollen. Doch die sechs Milliarden Euro aus dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung wolle man bestimmt nicht als Einmalzahlung verstehen. Der Bund müsse sich dauerhaft an den Mehrkosten beteiligen. So könnte man auch Schwankungen bei den Flüchtlingszahlen ausgleichen.
Wie werden die sechs Milliarden verteilt?
Ähnlich sieht das Bayern. In dieser Frage gibt es offenbar viel Klärungsbedarf: Zwar hat sich die Bundesregierung bereits vor Monaten bereit erklärt, sich dauerhaft an den Kosten zu beteiligen. Doch offen ist, ob sie die Summe von sechs Milliarden Euro als einmalige Nothilfezahlung betrachtet oder nur als Anfang einer dauerhaften Kostenbeteiligung. "Da ist noch Bewegung drin", heißt es von Seiten der Bundesregierung. Die Chefs der Staatskanzleien wissen: So leicht werden sie ihre zusätzlichen Geldforderungen bei Altmaier nicht durchsetzen. Im Kanzleramt werden sie nachweisen müssen, inwieweit sie bislang die Gelder des Bundes an die Kommunen weitergereicht haben und ob sie tatsächlich mehr Geld brauchen werden.
Und wenn es bei den sechs Milliarden Euro bleibt, wie werden sie verteilt? Seit der Pressekonferenz von Kanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Gabriel scheinen mehrere Ressorts zu hoffen, ein möglichst großes Stück vom Kuchen abzubekommen. Wie groß, scheint noch nicht abgesprochen. Das zumindest war auch der Eindruck bei einer Pressekonferenz mit Bundesbildungsministerin Wanka. Der Anteil für Bildungsausgaben werde noch verhandelt, war die etwas vage Botschaft.
Es geht nicht mehr um ideologische Haltung
Ob der baden-württembergische Ministerpräsident zustimmt, weitere Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, ist noch nicht entschieden. Man wolle die Einschätzung der Bundesregierung abwarten, ob die Einstufung von anderen Ländern als sichere Herkunftsstaaten bislang Erfolg gebracht habe.
Man sei nach wie vor "offen", ist aus Regierungskreisen zu hören. De Maizière rechnet sich gute Chancen aus, dass sein Vorschlag auch im Bundesrat durchkommt. Trotz aller Unterschiede: Die Länder sagen, es gehe längst nicht mehr um ideologische Haltungen, sondern um die Lösung einer großen Herausforderung.