Bundeswahlausschuss entscheidet Wer darf an der Bundestagswahl teilnehmen?
Weit mehr als 80 Parteien und Vereinigungen wollen an der Bundestagswahl teilnehmen. Ob sie die formalen Voraussetzungen erfüllen, entscheidet der Bundeswahlausschuss. Schon jetzt gibt es Überraschungen - und Kritik.
Welche kleinen Parteien und Vereinigungen dürfen an der Bundestagswahl im Herbst teilnehmen? Bis zum Nachmittag hört der Bundeswahlausschuss alle 88 Bewerber in Berlin an. In der ersten Runde am Donnerstag bekamen 21 Bewerber die Zulassung.
"Ich schlage vor, die LIEBE als Partei im Sinne von Par.18, Absatz 4, Nr. 2 anzuerkennen", sagt Bundeswahlleiter Georg Thiel. Er ist bei diesem Satz frei von romantischen Gedanken. Die Europäische Partei LIEBE hat einen kleinen deutschen Ableger mit bislang 53 Mitgliedern. Sie ist kommunalpolitisch in Westfalen aktiv und hat an der Europawahl 2019 teilgenommen.
Es gibt Nachfragen aus dem Ausschuss, dem Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen angehören und auch zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Etwa die Frage, wie die Gruppierung mit 53 Mitgliedern den Anspruch erheben könne, an der politischen Willensbildung des Volkes teilzunehmen?
Bundeswahlleiter Georg Thiel betont, dass der Wahlausschuss lediglich die formalen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Partei prüft, aber keine inhaltlichen Fragen.
Mitwirkung an politischer Willensbildung
Denn das gehört zu den Voraussetzungen für eine Zulassung. Parteien müssen anhand der Zahl ihrer Mitglieder oder Aktivitäten in der Öffentlichkeit nachweisen, dass sie an der politischen Willensbildung mitwirken und das Volk vertreten wollen.
In diesem Jahr kommt die Pandemie erschwerend hinzu. Corona hat Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung gerade für junge Gruppierungen fast unmöglich gemacht. Das mache die Entscheidung des Bundeswahlausschusses zwar "nicht großzügiger, aber wir müssen sie in unsere Abwägung einbeziehen", so Thiel. Am Ende müsse der Wähler an der Urne entscheiden.
DKP und Pogo-Partei scheitern
Werden formelle Vorgaben nicht eingehalten, gibt es weniger Pardon. Die seit 1968 bestehende Deutsche Kommunistische Partei (DKP) erhält keine Zulassung, weil sie seit Jahren die fristgerechte Einreichung von Rechenschaftsberichten verbummelt.
Auch die APPD - die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands - scheiterte. Diese Gruppierung, die mit dem Slogan "Arbeit ist Scheiße" im Internet auftritt, erhielt keine Zulassung. Grund: Der Antrag auf Zulassung zur Wahl kam nur per Mail und nicht - wie vorgeschrieben - per Post an. Der Bundesvorsitzende der APPD, Andreas Reiter, reagierte ungehalten. "Und für den Scheiß habe ich heute nüchtern bleiben müssen. Danke dafür!"
Eine Chance bleibt der APPD noch, genauso wie der DKP: Gegen die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses können sie binnen vier Tagen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele kündigte diesen Schritt umgehend an.
Weitere Vereinigungen, die nicht zugelassen wurden, sind unter anderem der "Undeutsche Verein", "MenschenRechte 100pro" oder die "GERADE Partei".
Andere weniger bekannte Vereinigungen wie die "Gartenpartei", die "Tierschutz-Allianz", "Volt Deutschland", das "Team Todenhöfer" oder "Menschliche Welt" können dagegen antreten.
Verfassungsschutz stuft "III.Weg" als rechtsextremistisch ein
Thiel betonte, der Bundeswahlausschuss prüfe lediglich die formalen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Partei, aber keine inhaltlichen Fragen. Auf diese Weise wurde auch die vom Verfassungsschutz als "rechtsextremistische Kleinpartei" eingestufte Gruppierung "Der III. Weg" zur Wahl zugelassen. Im Verfassungsschutzbericht 2020 heißt es zu ihr: "Die Partei dient nach wie vor als Auffangbecken für Personen, die der neonazistischen Szene angehören und teilweise auch Mitglieder verbotener Organisationen waren."
Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses sorgte bereits für Kritik. Die SPD-Politikerin und Generalsekretärin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Michaela Engelmeier, fragte per Twitter, ob der Ausschuss ernsthaft eine antisemitische und rechtsextreme Kleinstpartei zulassen wolle.
Für die Dänen-Partei SSW ist der Weg frei
Zugelassen ist auch der SSW. Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein ist seit 60 Jahren nicht mehr bei einer Bundestagswahl angetreten. Spitzenkandidat Stefan Seidler sieht jetzt gute Chancen auf ein Direktmandat: "Das hängt damit zusammen, dass wir eine Regionalpartei sind. Viele Menschen wählen uns und wir erleben, dass sich die Menschen die Stärkung regionaler Strukturen wünschen, statt mehr Globalisierung."
Seidler will als Einzelkämpfer im Bundestag die wirtschaftlichen Interessen seiner Heimat direkt in Berlin vertreten und den Minderheiten mehr Aufmerksamkeit verschaffen.
Hoher Aufwand für die Zulassung
Der Aufwand, der insgesamt für die Prüfung und Zulassung der Kleinstparteien betrieben wird, sei völlig gerechtfertigt, sagt der Bundeswahlleiter. Sie sorgten für Transparenz und Akzeptanz politischer Entscheidungen:
"88 Parteien und Vereinigungen, die sich angemeldet haben, das ist ja viel. Und wir dürfen den Bürger auch nicht überfordern, dass er am Ende aus vielleicht 200 oder 300 zu wählen hätte. Deswegen finde ich es schon richtig, dass diese wenigen formalen Kriterien eingehalten werden müssen."
Ausgenommen von dieser Prozedur sind die Parteien, die aktuell im Bundestag oder in Landtagen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind: CDU und CSU, SPD, FDP, AfD, die Linke, die Grünen sowie die Freien Wähler in Bayern und Brandenburg.
Sendehinweis: Über die kleinen und Kleinstparteien werden ARD und ZDF am 13. September bzw. 15. September in der Reportage "Der Traum von fünf Prozent. Unterwegs zu den kleinen Parteien" berichten. Hier finden sie Informationen zu dem Film - und dazu, wie Sie mitmachen können.