Wahlkampagne der Grünen Viel Grün, wenig Kandidatin
Erstmals ziehen die Grünen mit einer Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf - explizit präsentiert wird sie jedoch nicht. Baerbock ist zwar auf etlichen Wahlplakaten zu sehen - aber als eine von vielen.
Es war Mitte April, als der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, vor Selbstbewusstsein strotzend ankündigte: "Wir kämpfen um das Kanzleramt." Einige Wochen und mehrere Patzer und Verfehlungen später hört sich das bei Bundesgeschäftsführer Michael Kellner etwas anders an. Die Grünen seien der Underdog im Kampf ums Kanzleramt, betonte er bei der Vorstellung der Wahlkampagne.
Man könnte meinen, Bescheidenheit sei eingekehrt in der Grünen-Parteizentrale. Niemand rüttelt in diesen Juli-Tagen am Zaun des Kanzleramts, auch wenn Annalena Baerbock da immer noch rein will. Erstmal ist sie jetzt aber im Urlaub.
Baerbock steht nicht im Mittelpunkt
Die Kanzlerkandidatin der Grünen steht nicht im Mittelpunkt der Kampagne, auf keinem Plakat wird mit ihr als Merkel-Nachfolgerin geworben. Vielmehr ist sie eine von vielen, neben Habeck und zahlreichen unbekannten Gesichtern, die auf grünem Untergrund grüne Wahlwerbung machen. Es gibt kein Plakat, das sie als Kanzlerkandidatin zeigt. Bedeutet das, dass die Grünen von Baerbock abrücken - oder wollen sie sie aus der Schusslinie nehmen?
Habeck und Baerbock sind auf den Wahlplakaten der Grünen zu sehen.
Zwar hat auch die CDU kein Plakat vorgestellt, auf dem Armin Laschet als Kanzler angepriesen wird, aber bei den Grünen wird in diesen Tagen eben anders hingeschaut. Und so halten sich die Gerüchte hartnäckig, dass doch Habeck die Kanzlerkandidatur übernehmen könnte, auch wenn der Bundesgeschäftsführer abwinkt und betont, dass der Wahlkampf Teamwork sei.
Wir sind ein starkes Duo für diese Bundestagswahl, mit Annalena Baerbock und Robert Habeck, und zu so einer Kampagne und Dramaturgie gehört natürlich auch, dass man am Ende personell zuspitzt.
"Personell zuspitzen", meint an dieser Stelle wohl, zur Kanzlerinnenwahl aufzurufen - möglicherweise im Spätsommer. Kellner legt sich nicht fest. Vermutlich will er abwarten, wie sich die Dinge in den nächsten Wochen entwickeln. Ob es dann vielleicht doch eine Kanzlerkandidatin Baerbock auf den Plakaten gibt. Abwarten. Auch die SPD wirbt bislang nicht mit einem Spruch wie "Olaf wählen".
Digitalisierung, gerechte Löhne, Klimaschutz
Die Grünen setzen in ihrer Kampagne wie üblich ganz auf Grün. Auf grünem Grund geht es um Digitalisierung, gerechte Löhne, ein starkes Europa und natürlich den Klimaschutz. Auf einem Plakat, auf dem Baerbock allein zu sehen ist, steht in großen Lettern: "Wirtschaft und Klima ohne Krise". Es sei das Plakat, mit dem die meisten grünen Kreisverbände werben wollen, sagt Kellner: "Die Partei ist hoch mobilisiert."
Und die Partei ist auch gewachsen. Auf jetzt 117.000 Mitglieder, das sind fast doppelt so viele wie noch vor vier Jahren. Aber immer noch weitaus weniger als bei SPD und CDU.
Kellner verweist auf das Hauptmotiv der grünen Kampagne: "Unser Land kann mehr, wenn man es lässt", ist darauf zu lesen. Für Kellner ist es "eine Antwort auf 16 Jahre Regierung der Union". Von ihm heute kein Wort dazu, dass auch die SPD in zwölf von diesen 16 Jahren mitregiert hat. Sie ist eben bevorzugte Koalitionspartnerin der Grünen.
Lieber geben die Grünen andere Antworten. Sie lauten: "Neuanfang" und "Aufbruch" - und grüne Politik mit einer Kandidatin, die derzeit Erholung im Urlaub sucht, um dann einen neuen Anlauf zu nehmen - auf das Kanzleramt.