Zusammensetzung des Bundestags Mehr Frauen ins Parlament - aber wie?
Auch im neuen Bundestag bleiben Frauen in der Minderheit. Ihr Anteil ist nur leicht gestiegen - von 31 auf 34 Prozent. Politikerinnen wie Claudia Roth oder Gyde Jensen wollen das ändern. Ihre Ideen sind unterschiedlich.
Grünen-Politikerin Claudia Roth hat oft erlebt, wie hart Politik für Frauen sein kann. Seit mehreren Jahrzehnten ist sie politisch aktiv, zuletzt war sie Bundestagsvizepräsidentin. Roth hat unzählige Situationen mitbekommen, in denen Männer nach vorne drängten und Frauen sich erst einmal Respekt verschaffen mussten. Immer wieder setzte sie sich für gleiche Teilhabe ein.
Dass nun der Frauenanteil im Bundestag leicht angestiegen ist, freut Roth nicht wirklich: Es sei "viel zu bescheiden", darin eine gute Nachricht zu sehen. Wenn es um gleiche Rechte geht, sei sie tief davon überzeugt, dass wir nicht ein bisschen mehr gleiche Rechte brauchen, sondern gleiche Rechte", sagte sie im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Schließlich seien mehr als die Hälfte der Bevölkerung Frauen.
Roth will aber nicht nur auf die Zahlen blicken. Sie will Politik auch aus anderen Blickwinkeln sehen. Beispielsweise mache es einen Unterschied, wenn Frauen im traditionell eher männlich dominierten Verteidigungsausschuss sitzen - und Männer im Familienausschuss. Die Grünen-Fraktion im Bundestag besteht rund zur Hälfte aus Frauen. Die Partei hat eine Frauenquote in ihrer Satzung. Ein Erfolgsrezept, so Roth. Viele junge Frauen gehören der neuen Fraktion an. Weil sie gut sind, meint Roth, und die Quote als einen "Schlüssel benutzen, der ihnen die Tür aufmacht, um zu zeigen, was sie können".
Auch Gyde Jensen will mehr Frauen im Parlament. Als die FDP-Politikerin 2017 von Kiel nach Berlin wechselte, war sie die jüngste Bundestagsabgeordnete. Ihre Fraktion ist deutlich männlicher geprägt als die der Grünen, auch bei den Linken und der SPD sind mehr Frauen vertreten.
Jensen gehört wohl zu denjenigen, die den Unterschied machen: Kurz nach ihrem Einzug in den Bundestag übernahm sie die Leitung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Ins kalte Wasser gesprungen sei sie damals, erinnert sie sich. Nicht lange zögern, sondern zugreifen, Verantwortung übernehmen, bevor ein männlicher Kollege die Hand hebt. Das kann als Botschaft auch an andere Frauen verstanden werden. Eine Frauenquote lehnt ihre Partei ab. Um den Frauenanteil zu erhöhen, spricht auch Jensen von einem politischen Ziel, das man sich setzen müsse. "Vor allem, wenn wir wollen, dass sich auch mehr Frauen von der Politik angesprochen fühlen."
Wie aber kann das gehen? Einig sind sich viele darin, dass die Arbeit an der Basis wichtig ist: Frauen vor Ort ansprechen und für Politik begeistern, darin sieht auch Franziska Hoppermann eine wichtige Aufgabe. Die CDU-Politikerin ist Landesvorsitzende der Frauen-Union in Hamburg und gehört zu den neuen Abgeordneten im Bundestag. Sie berichtet von einer erfolgreichen Arbeit an der Basis in ihrer Heimatstadt: "Wir müssen Frauen für Politik begeistern und ihnen Raum zum Mitmachen geben - zum Beispiel, indem wir massiv den Frauenanteil in der Mitarbeit in der Kommunalpolitik erhöht haben."
In ihrer Partei ist knapp ein Viertel der Plätze im neuen Bundestag mit Frauen besetzt. Nur bei der AfD sind prozentual noch weniger Frauen dabei. Mit dem geringen Anteil in der Unionsfraktion könne man nicht zufrieden sein, bemängelt auch die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz. Sie fordert strukturelle Änderungen in ihrer Partei. Dazu gehört auch die Debatte über Frauenquoten und Wahllisten, auf die zu gleichen Teilen Frauen und Männer gesetzt werden. Dafür will sich auch Franziska Hoppermann einsetzen.
Claudia Roth will mehr. Nur freiwillige Lösungen reichen ihr nicht. "Wenn wir so weitermachen, sind wir in 100 Jahren noch nicht so weit." Sie fordert eine gesetzliche Regelung. Im Grundgesetz seien gleiche Rechte fest verankert, und die Verantwortung, für Gleichheit zu sorgen. Nötig sei daher ein verfassungskonformes Paritätsgesetz.
In der vergangenen Legislaturperiode sei ein entsprechendes Vorhaben vor allem von CDU und CSU blockiert worden, meint Roth. Grüne, SPD und Linke befürworten ein Paritätsgesetz auf Bundesebene. Nun sei die nächste Regierungskoalition gefragt.
Die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth, plädiert für ein Paritätsgesetz auf Bundesebene.
Doch ob ein solches Gesetz zustande kommt? CDU-Politikerin Hoppermann ist skeptisch. Sie hat verfassungsrechtliche Bedenken, ähnlich wie FDP-Politikerin Jensen.
In einigen Bundesländern, etwa Brandenburg oder Thüringen, sollten die Parteien per Gesetz schon verpflichtet werden, Wahllisten paritätisch zu besetzen. Die jeweiligen Landesverfassungsgerichte haben die Gesetze aber für verfassungswidrig erklärt. Das habe gezeigt, wie verfassungsrechtlich fragwürdig das Ganze sei, meint Jensen. "Aber das Ziel, dass wir möglich vielfältig aufgestellt sein sollten, dieses politische Ziel teile ich."
Für mehr Vielfalt ist auch Bundestagsvizepräsidentin Roth. Ihr bereite aber Sorgen, dass nicht nur Frauen im Bundestag, sondern beispielsweise auch Männer mit Migrationsgeschichte von rassistischen und sexistischen Angriffen berichteten, von Bedrohungen und Beleidigungen in den sozialen Netzwerken, aber nicht nur dort. Das zeige, "dass wir im Bundestag Gesicht zeigen müssen". Vor allem den Frauen rät sie, für ihre Rechte zu kämpfen, Ärmel hochzukrempeln, nicht bescheiden zu sein. Denn, so Roth, von echter Gleichberechtigung sei man noch weit entfernt.
Beim Ärmel hochkrempeln ist die junge FDP-Politikerin Jensen dabei. "Diese Männerbünde, die wir häufig sehen, sind etwas, was man hinterfragen kann, aber von denen man auch lernen kann." Und zwar, dass Frauen fraktionsübergreifend stärker als Team auftreten. Und sich gegenseitig mehr fördern.