Anschlag auf Weihnachtsmarkt IS reklamiert Tat für sich - Täter flüchtig
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat den Angriff auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin für sich in Anspruch genommen. Überprüfen lässt sich das nicht - der Täter ist weiter auf der Flucht. Ein festgenommener Verdächtiger erwies sich als unschuldig.
Das Bekenntnis kam am frühen Abend: Der Täter sei ein Soldat des "Islamischen Staates" (IS), meldete die Agentur Amaq, die als Propagandasprachrohr der Terrormiliz gilt. Weitere Details werden in den Bekennerzeilen nicht genannt. Sollte wirklich der IS hinter dem Attentat stehen, wäre dies der bislang größte islamistische Anschlag in Deutschland.
Innenminister Thomas de Maizière betont in der ARD, auf der Suche nach dem Täter oder den Tätern gebe es Ermittlungsansätze. Er mahnt aber zur Besonnenheit: "Wir sollten die Sicherheitsbehörden ihre Arbeit machen lassen, die arbeiten mit Hochdruck und niemand wird ruhen, bis nicht der Täter oder die Täter gefasst sind."
Verdächtiger erwies sich als unschuldig
Zuvor hatten Polizei und Staatsanwaltschaft ihren ersten Fehlschlag einräumen müssen. Der fast den ganzen Tag als tatverdächtig gehandelte Asylbewerber wurde am Abend freigelassen. Die Polizei musste einräumen, dass alle, sehr umfangreichen Untersuchungen, keinerlei Hinweise darauf gegeben hätten, dass der 23 Jahre alte Pakistaner in den Anschlag auf dem Breitscheidplatz verwickelt ist.
Offensichtlich war der junge Mann unmittelbar nach der Tat aufgrund nur sehr vager Hinweise festgenommen worden. Augenzeugen hatten eine Beschreibung des Täters geliefert, wie er nach dem Attentat aus dem Fahrzeug geklettert und Richtung Tiergarten geflüchtet sei.
De Maizière nimmt Polizei in Schutz
Aufgrund dieser Beschreibung wurde kurz darauf der - wie sich jetzt herausgestellt hat: unschuldige - Asylbewerber an der wenige Kilometer entfernten Siegessäule von Streifenpolizisten festgenommen.
Trotz dieses Fehlschlages verteidigt De Maizière im ZDF die bisherige Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft: "Zunächst ist es richtig, wenn es einen solchen Verdacht gibt, dass man dann einen Menschen festnimmt und den Vorwurf klärt. Auch das ist nicht vorwerfbar."
Die Fakten
* Am Montagabend gegen 20 Uhr rast ein Sattelschlepper auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin.
* Zwölf Menschen sterben, 49 werden teils lebensgefährlich verletzt. Die Bundesregierung spricht seit Dienstag von einem Terroranschlag, der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen übernommen. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" reklamiert die Tat für sich.
* Auf dem Beifahrersitz des Lkw wird ein Toter entdeckt. Es ist der ursprüngliche Fahrer aus Polen. Er wurde erschossen.
* Der Lkw gehört einer polnischen Spedition mit Sitz in Gryfino bei Stettin.
* Nach der Tat wird in der Nähe der Berliner Siegessäule ein Mann festgenommen. Da kein dringender Tatverdacht besteht, wird er wieder freigelassen.
* Am Mittwoch wird bekannt, dass die Polizei bundesweit nach einem Tunesier fahndet. Dessen Ausweispapiere sollen im Fußraum des Lkw gefunden worden sein. Der Mann hat laut ARD-Recherchen Verbindungen zu Salafisten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Die Fragen
* Die Identität des Fahrers: Wer fuhr den Lkw und flüchtete dann vom Tatort?
* Die Anzahl der Täter: Waren mehrere Menschen an dem Attentat beteiligt?
* Wo wurde der Lkw gestohlen?
* Die Stunden vor der Tat: Wurde der Lkw, wie der Spediteur unter Verweis auf GPS-Daten sagt, am Nachmittag mehrmals gestartet?
Keine Erkenntnisse zum Täter
Ob es konkrete neue Hinweise gibt, will De Maizière mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. Klar ist: Mit der Freilassung des zu Unrecht verdächtigten Pakistani beginnt die Suche nach dem Täter quasi von vorne. Der Innenminister zur neuen Lage: "Das bedeutet, dass nicht auszuschließen ist, dass der Täter flüchtig ist."
Und er ist möglicherweise bewaffnet. Nach den bisherigen Erkenntnissen hat der Täter den eigentlichen, aus Polen stammenden Fahrer des Sattelschleppers vor dem Attentat erschossen. Die Tatwaffe konnte die Polizei bislang nicht sicherstellen.
Appell: wachsam, aber nicht ängstlich sein
Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagt dazu, die Sicherheitskräfte seien alarmiert, es bestehe aber kein Grund zur Panik. Berlins Bürgermeister Müller rief aufgrund des flüchtigen Täters zur Wachsamkeit, aber auch zur Gelassenheit auf: "Ich glaube, man muss keine Angst machen. Richtig ist, die Augen offen zu halten, sich umzusehen, wachsam zu sein, auch in der Stadt in dieser Situation, in der wir sind. Aber man kann sich im öffentlichen Raum bewegen. Es gibt keinen Grund für Angst oder sich zu Hause einzuschließen."
Innenminister De Maizière appelliert an die Bevölkerung, bei der Suche nach dem Täter weiter zu helfen. Wer Hinweise gebe könne, am Tatort Fotos oder Videos gemacht habe, solle diese der Polizei zur Verfügung stellen. Im Internet haben die Sicherheitskräfte eine Seite freigeschaltet, auf der entsprechendes Material hochgeladen werden kann.
Nach dem aktuellen Stand sind beim Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zwölf Menschen ums Leben gekommen, außerdem wurde der polnische Fahrer des Lastwagens getötet. Es gab fast 50 Verletzte, nach Angaben des Innenministers befinden sich 14 von ihnen noch in Lebensgefahr.