Asylstreit in der Union Seehofer beharrt auf seiner Position
Innenminister Seehofer will im Asylstreit nicht nachgeben. Im BR sagte Seehofer, er fordere weiterhin eine "andere Migrationspolitik" in Deutschland. Söder kündigte ein entschlossenes Handeln der CSU an.
Im Asylstreit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Innenminister Horst Seehofer am Abend auf seiner Position beharrt. Im Bayerischen Rundfunk forderte er erneut eine "andere Migrationspolitik" in Deutschland.
Merkel hatte Seehofer zuvor vor Alleingängen gewarnt: Es sei eine "Frage der Richtlinienkompetenz", in anderen Staaten registrierte Flüchtlinge zurückzuweisen, sagte Merkel. Die Kanzlerin zog damit in dem Konflikt mit Seehofer eine klare rote Linie.
Die Richtlinienkompetenz ist im Grundgesetz verankert und obliegt der Bundeskanzlerin. Damit ist gemeint, dass die Bundesminister zwar im Rahmen ihrer Ressorts selbständig und eigenverantwortlich arbeiten - jedoch immer innerhalb der Richtlinien, die die Kanzlerin vorgibt.
Söder glaubt nicht an europäische Lösungen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte derweil ein entschlossenes Handeln der CSU an - notfalls gegen den erklärten Willen von Kanzlerin Merkel. "Sollte es nach dem EU-Gipfel keine endgültige Lösung geben, dann muss endgültig entschieden werden", sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur.
"Wir glauben nicht daran, dass innerhalb von zwei Wochen europäische Lösungen zustande kommen - das hat drei Jahre lang nicht funktioniert", sagte Söder.
Seehofer: "Ein ungewöhnlicher Schritt"
Merkels Hinweis auf ihre Richtlinienkompetenz kritisierte Seehofer. Es sei ein "ungewöhnlicher Schritt", dass eine Kanzlerin mit ihrer "Richtlinienkompetenz wedelt". Dies sei besonders schwierig, wenn es "um die Frage der Sicherheit und Ordnung geht", sagte Seehofer.
Der CSU-Politiker betonte, er hoffe dennoch auf eine europäische Einigung. "Das, was alle Länder in Europa gemeinsam machen, ist besser, als wenn ein Nationalstaat alleine handelt. Sollte Merkel aber auf dem EU-Gipfel Ende des Monats keinen Erfolg haben, müsse national gehandelt werden.
"Überhaupt nicht zu handeln, weder europäisch noch national, das wäre verhängnisvoll", so Seehofer. Es gelte, auch die nationalen Anliegen zu vertreten und sie mit den europäischen Interessen zu verzahnen.
Die Spitzen von CDU und CSU hatten sich zuvor darauf geeinigt, eine Entscheidung im Streit über die Asylpolitik um zwei Wochen zu vertagen. Merkel hat demnach bis zum EU-Gipfel Ende Juni Zeit, eine europäische Lösung sowie bilaterale Abkommen mit anderen Ländern zu schließen.
"Es geht nicht um den Sturz der Kanzlerin"
Im Kern des Streits geht es um die mögliche Abweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze. Seehofer will Migranten abweisen, die in anderen EU-Ländern registriert sind. Dieser Streit ist durch den Kompromiss bei weitem nicht ausgestanden. Seehofer sagte im BR, es ginge der CSU aber nicht um Bestand der Regierung oder Koalition "oder gar um den Sturz der Kanzlerin".
Vielmehr gehe es ihm um "eine vernünftige Lösung, die die Bevölkerung überzeugt, dass wir die Zuwanderungsfrage im Griff haben." Davon könne aus seiner Sicht im Moment nicht die Rede sein. Er werde in dieser Angelegenheit "für eine politische Lösung werben und nicht für eine Richtlinienlösung“, fügte er mit Blick auf Merkel hinzu.
Seehofer will Zurückweisungen vorbereiten
Für Anfang Juli will Seehofer die von ihm geplanten Zurückweisungen bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze vorbereiten. "Sofort" will Seehofer allerdings dafür sorgen, dass mit Einreisesperren belegte Menschen nicht mehr nach Deutschland kommen können. "Wir haben diese ganze Thematik Migration noch nicht wirklich im Griff", sagte er.
Normalerweise darf man nicht nach Deutschland einreisen, wenn man die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt. Zu den Voraussetzungen zählen unter anderem ein gültiges Reisedokument und der Besitz eines gültigen Visums.
Merkel für Seehofer "weiter sympathisch"
Merkel sei ihm weiterhin sympathisch, und sie habe sicher auch ihre Überzeugung, für die sie sich einsetze, sagte Seehofer im BR. Der jüngst in den Medien kolportierte Satz, er könne mit Merkel nicht mehr zusammenarbeiten, sei eine von vielen Falschmeldungen der vergangenen Tage, auf die zu reagieren er sich aber abgewöhnt habe.
SPD fordert Mitspracherecht
SPD-Chefin Andrea Nahles forderte ein Spitzentreffen der Koalition - noch vor dem EU-Gipfel Ende Juni. "Was wir jetzt in den letzten Wochen erlebt haben, gerade in den letzten Tagen", habe dem Ansehen der Politik in Deutschland und vor allem auch dem Ansehen Deutschlands in Europa geschadet. Sie betonte, "dass eine Einigung zwischen CDU und CSU kein Automatismus für eine Zustimmung der SPD bedeutet".
Heftige Kritik von der Opposition
Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, kritisierte auch die SPD. Sie sei an der Regierung und handele in der Frage derzeit überhaupt nicht. Sie sei gelähmt aus Angst vor Neuwahlen.
Der Konflikt sei lediglich verschoben, sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Die Grünen kündigten an, am Nachmittag einen eigenen Masterplan vorlegen zu wollen. Erste Teile gab die Vorsitzende Annalena Baerbock bereits bekannt: Sie wollen Migration und Flucht "auf der Grundlage von Humanität und Ordnung steuern" und "menschenrechtsbasierte Kontrollen, Registrierung und Aufnahme an den EU-Außengrenzen" ermöglichen. Sinnvoll seien zudem breite Kontingente für besonders Schutzbedürftige direkt aus Krisenländern, so die Grünen.