Asylpolitik von CDU und CSU Merkel droht mit Richtlinienkompetenz
Vordergründig gibt es einen Kompromiss: Zwei Wochen Zeit hat Kanzlerin Merkel, um eine europäische Lösung im Asylkonflikt zu finden. Doch in Richtung von Innenminister Seehofer sprach sie eine Warnung aus.
Die Spitzen von CDU und CSU haben sich darauf geeinigt, eine Entscheidung im Streit über die Asylpolitik um zwei Wochen zu vertagen. Das gaben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer am Nachmittag in getrennten Pressekonferenzen bekannt. Doch hinter den Kulissen brodelt es weiter.
Merkel hat demnach bis zum EU-Gipfel Ende Juni Zeit, eine europäische Lösung sowie bilaterale Abkommen mit anderen Ländern zu schließen. Um diese Frist hatte sie gebeten, die CSU räumte sie ihr ein.
Im Kern des Streits geht es um die mögliche Abweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze. Seehofer will Migranten abweisen, die in anderen EU-Ländern registriert sind. Dieser Streit ist durch den heutigen Kompromiss bei weitem nicht ausgestanden. Seehofer sagte in München, in der Frage sehe er einen "grundlegenden Dissens" mit der Kanzlerin.
Der CSU-Chef ergänzte: "Es geht neben der Funktionsfähigkeit eines Rechtsstaats auch um die Glaubwürdigkeit meiner Partei." Die CSU sei für eine europäische Lösung – aber wenn diese nicht möglich sei, müsse es Zurückweisungen an der deutschen Grenze gebe. "Ich bin jedenfalls fest entschlossen, dass dies realisiert werden soll, wenn die europäischen Verhandlungen keinen Erfolg bringen."
"Migration in den Griff bekommen"
In der Flüchtlingspolitik will er weiter eine harte Linie verfolgen - ein Rückzieher würde die CSU seiner Ansicht nach langfristig gefährden. Für Anfang Juli will Seehofer die von ihm geplanten Zurückweisungen bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze vorbereiten. "Sofort" will Seehofer allerdings dafür sorgen, dass mit Einreisesperren belegte Menschen nicht mehr nach Deutschland kommen können. "Wir haben diese ganze Thematik Migration noch nicht wirklich im Griff", sagte er.
Normalerweise darf man nicht nach Deutschland einreisen, wenn man die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt. Zu den Voraussetzungen zählen unter anderem ein gültiges Reisedokument und der Besitz eines gültigen Visums.
Merkel spricht Warnung aus
Merkel wiederum warnte Seehofer vor Alleingängen: Es sei eine "Frage der Richtlinienkompetenz", in anderen Staaten registrierte Flüchtlinge zurückzuweisen, sagte Merkel. Die Kanzlerin zog damit in dem Konflikt mit Seehofer eine klare rote Linie. Die Richtlinienkompetenz ist im Grundgesetz verankert und obliegt der Bundeskanzlerin. Damit ist gemeint, dass die Bundesminister zwar im Rahmen ihrer Ressorts selbständig und eigenverantwortlich arbeiten - jedoch immer innerhalb der Richtlinien, die die Kanzlerin vorgibt.
Merkel will die CDU-Spitzengremien am 1. Juli, unmittelbar nach dem EU-Gipfel, über mögliche Ergebnisse informieren. Auf ihrer Pressekonferenz in Berlin sagte sie, CDU und CSU hätten das gemeinsame Ziel, den Zustrom von Flüchtlingen zu vermindern. Dabei wolle die CDU aber nicht unilateral, unabgesprochen und zu Lasten Dritter handeln. Eine unabgestimmte Zurückweisung von Flüchtlingen könne einen Domino-Effekt auslösen und die europäische Einigung gefährden. Sie sagte zudem, sie glaube, es lohne sich, CDU und CSU beieinander zu halten.
Dennoch sagte Merkel, sie sehe weiterhin die Grundlage für eine Zusammenarbeit mit Seehofer. Eine Kanzlerin und ein Innenminister müssten gesprächsfähig sein.
Merkel für Seehofer "weiter sympathisch"
Merkel sei ihm weiterhin sympathisch, und sie habe sicher auch ihre Überzeugung, für die sie sich einsetze, sagte Seehofer im BR. Der jüngst in den Medien kolportierte Satz, er könne mit Merkel nicht mehr zusammenarbeiten, sei eine von vielen Falschmeldungen der vergangenen Tage, auf die zu reagieren er sich aber abgewöhnt habe.
Österreich zeigte sich erfreut ob der Auseinandersetzung in Deutschland: "Ich freue mich, dass Dynamik in die deutsche Debatte gekommen ist", sagte Innenminister Herbert Kickl. Sollte Deutschland künftig Flüchtlinge an der Grenze abweisen, werde Österreichs Regierung sich daran orientieren.
SPD fordert Mitspracherecht
SPD-Chefin Andrea Nahles forderte ein Spitzentreffen der Koalition - noch vor dem EU-Gipfel Ende Juni. "Was wir jetzt in den letzten Wochen erlebt haben, gerade in den letzten Tagen", habe dem Ansehen der Politik in Deutschland und vor allem auch dem Ansehen Deutschlands in Europa geschadet. Sie betonte, "dass eine Einigung zwischen CDU und CSU kein Automatismus für eine Zustimmung der SPD bedeutet".
Heftige Kritik von der Opposition
Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, kritisierte auch die SPD. Sie sei an der Regierung und handele in der Frage derzeit überhaupt nicht. Sie sei gelähmt aus Angst vor Neuwahlen.
Der Konflikt sei lediglich verschoben, sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Die Grünen kündigten an, am Nachmittag einen eigenen Masterplan vorlegen zu wollen. Erste Teile gab die Vorsitzende Annalena Baerbock bereits bekannt: Sie wollen Migration und Flucht "auf der Grundlage von Humanität und Ordnung steuern" und "menschenrechtsbasierte Kontrollen, Registrierung und Aufnahme an den EU-Außengrenzen" ermöglichen. Sinnvoll seien zudem breite Kontingente für besonders Schutzbedürftige direkt aus Krisenländern, so die Grünen.