AOK fordert Gegenmaßnahmen Ausgaben für Arzneimittel steigen deutlich
Seit zehn Jahren tragen vor allem neue Medikamente zum Umsatzwachstum der Hersteller bei - zur Versorgung allerdings immer weniger. Das zeigt eine Analyse der AOK. Allein 2021 gaben die Krankenkassen fast neun Prozent mehr für Arzneimittel aus.
Die gesetzlichen Krankenkassen haben nach einer Erhebung der AOK im vergangenen Jahr fast neun Prozent mehr für Arzneimittel ausgegeben als ein Jahr zuvor. Die Nettoausgaben seien 2021 um 8,8 Prozent auf 50,2 Milliarden Euro gestiegen, teilte der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) in Berlin mit.
Überdurchschnittliche Steigerungen verzeichnete die AOK in ihrem Arzneimittelkompass 2022 für patentgeschützte Medikamente, Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, auch "Orphan Drugs" genannt, sowie biologische Mittel. "Diese drei Marktsegmente zeichnen sich dadurch aus, dass sehr viel Geld für wenige Medikamente aufgebracht wird, von denen letztendlich auch wenige Menschen profitieren", kritisierte Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.
Neue Mittel ohne zusätzlichen Nutzen
Im vergangenen Jahr erzielten patentgeschützte Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Umsatz von 27,5 Milliarden Euro. Damit wurde mehr als jeder zweite Euro der Arzneimittelkosten in diesem Bereich ausgegeben - gemessen an verordneten Tagesdosen entfielen jedoch nur sechseinhalb Prozent der Versorgung auf patentgeschützte Medikamente. "Seit nunmehr zehn Jahren treiben damit insbesondere neue Arzneimittel das Umsatzwachstum, tragen aber gleichzeitig immer weniger zur Versorgung bei", heißt es in der Analyse.
Neue Mittel seien nicht zwangsläufig besser, hieß es weiter: Für 61,5 Prozent der Patienten brächten neue Arzneien keinen zusätzlichen Nutzen. "Damit führen eine Vielzahl von aufwändigen Forschungsvorhaben der Pharmazeutischen Industrie bis zur Einführung eines neuen Arzneimittels nicht zu einer verbesserten Versorgung", kritisierte Schröder. Die Mehrzahl neuer Medikamente sei gegenüber Vergleichstherapien ohne Zusatznutzen für Patienten.
"Ausnahmeregelungen für Orphan Drugs endlich abschaffen"
Er forderte von der Politik, "Ausnahmeregelungen für Orphan Drugs endlich abzuschaffen und die Versorgungsqualität damit zu verbessern". Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband, verlangte eine auf sieben Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer auf Medikamente.
Sie kritisierte, dass Hersteller ein halbes Jahr lang die Preise für ihre neue Arzneien festlegen könnten. Die ab dem zweiten Halbjahr zu erwartenden Preissenkungen würden vermutlich vorher eingepreist. Richard sprach sich deshalb dafür aus, den ausgehandelten Erstattungsbetrag rückwirkend ab der Markteinführung festzulegen.
Das vor kurzem beschlossene Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, das unter anderem einen höheren Zusatzbeitrag und Einsparungen bei Arzneimitteln vorsieht, sieht die AOK zwar als Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt greife es aber zu kurz. Die Kasse bekräftigte die langjährige Forderung nach einem Ende der freien Preissetzung für Arzneimittel durch die Pharmaunternehmen.