Aufklärung der Schlesinger-Affäre ARD entzieht rbb-Spitze das Vertrauen
Die Intendanten der ARD trauen der geschäftsführenden Spitze des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) nicht zu, die Vorfälle rund um Ex-Senderchefin Schlesinger schnell genug aufzuarbeiten. Der ARD-Vorsitzende Buhrow erklärte, der rbb brauche einen Neuanfang.
Die Intendantinnen und Intendanten der ARD haben das Vertrauen in die amtierende rbb-Spitze verloren. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow erklärte, nach wie vor erführen seine Kolleginnen und Kollegen immer neue Vorwürfe ausschließlich aus der Presse. "Wir, die Intendantinnen und Intendanten der ARD, haben kein Vertrauen mehr, dass der geschäftsführenden Leitung des Senders die Aufarbeitung der diversen Vorfälle zügig genug gelingt."
Buhrow zollte der zurückgetretenen Rundfunkratsvorsitzenden Friederike von Kirchbach seinen Respekt. Ihr Schritt setze ein Signal für einen tiefgreifenden Neuanfang beim rbb. "Dieser wird auch die amtierende Geschäftsführung des Senders betreffen müssen", denn es sei fraglich, dass der rbb mit dieser Aufstellung stabilisiert werden könne. "Das ist aber im elementaren Interesse der ARD, der leidgeprüften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch der Menschen im rbb-Sendegebiet", so Buhrow.
"Es heißt nicht, dass der rbb aus der ARD ausgeschlossen ist", erläuterte Buhrow. "Es heißt aber, dass wir einfach konstatieren müssen, feststellen müssen, dass ein Vertrauen in das, was uns geliefert wird an Informationen, nicht mehr da ist. Wir müssen Informationen hinterherlaufen und haben dann mehrfach Dinge erst aus der Presse erfahren - obwohl wir uns im Augenblick sehr häufig mit dem rbb beschäftigen und auch mit dem rbb ausgetauscht haben und austauschen."
NDR-Intendant Joachim Knuth ergänzte: "Das fehlende Vertrauen gilt der geschäftsführenden Leitung des rbb, weil die mehrfach eingeforderte Transparenz nicht hergestellt wurde. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des rbb gilt unsere Solidarität, sie sind und bleiben Teil der ARD-Familie und können sich unserer Unterstützung sicher sein. Es braucht jetzt einen zügigen Prozess, aus dem der rbb als Ganzes gestärkt hervorgeht."
Mangelnder Informationsfluss: ARD-Intendantinnen und -Intendanten entziehen rbb-Spitze das Vertrauen
"Unverhohlene Aufforderung zum Rücktritt"
Dass sich alle anderen acht Landesrundfunkanstalten der ARD gemeinsam gegen den rbb stellen, sei ein "sehr außergewöhnlicher Schritt", den es in der Geschichte der ARD noch nicht gegeben habe, erklärte WDR-Journalist Rupert Wiederwald bei tagesschau24. Der Vorgang mache deutlich, dass die ARD-Anstalten das Gefühl hätten, die Führung des rbb könne diese Krise nicht alleine lösen. "Das ist eine ziemlich unverhohlene Aufforderung zum Rücktritt, auch wenn es so in dem Sinne nicht gesagt wurde", ergänzte er.
Rein rechtlich gesehen hätten die anderen Intendanten aber keine Möglichkeit, dies von außen durchzusetzen. Dennoch sei es ein Vorgang, der einen "immensen Druck" auf die geschäftsführende Leitung des rbb ausübt.
Zugleich ist nach Wiederwalds Worten die Angst innerhalb der ARD sehr groß, dass von dieser Krise auch an den anderen ARD-Anstalten etwas hängen bleiben kann: "Es zeigt, wie tief die Krise des rbb inzwischen eigentlich auch in der ARD angekommen ist."
rbb-Rundfunkratschefin von Kirchbach zurückgetreten
Zuvor hatte es mit dem Rücktritt der rbb-Rundfunkratsvorsitzenden Friederike von Kirchbach eine weitere personelle Konsequenz in der Affäre um Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen die abberufene Intendantin Patricia Schlesinger gegeben. "Der rbb steht vor einem Neuanfang. Nach zehn Jahren als Vorsitzende des Rundfunkrates möchte ich dazu einen Beitrag leisten und stelle mein Amt zur Verfügung. Unser Gremium hat mit der Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin den Weg für neue Strukturen und Personen im rbb frei gemacht. Für alles, was jetzt kommt, sehe ich neue Verantwortliche in der Pflicht, deshalb trete ich zurück", sagte von Kirchbach.
"Für mich steht die Sache im Vordergrund"
In der aktuellen Debatte um den rbb und das öffentlich-rechtliche System solle es nicht um Personen gehen, "für mich steht die Sache im Vordergrund. Dazu gehört die selbstkritische Betrachtung unserer Arbeit im Rundfunkrat in der Vergangenheit. Diese Diskussion jetzt noch mit angestoßen zu haben, ist mir wichtig", erklärte sie weiter. Sie sei andererseits nicht bereit, ihre berufliche Integrität als Pfarrerin und Seelsorgerin infrage stellen zu lassen, das geschehe öffentlich und sei für sie nicht hinnehmbar.
Von Kirchbach stand dem Kontrollgremium seit 2013 vor, seit 2007 war sie Mitglied. Der stellvertretende Rundfunkratsvorsitzende, Dieter Pienkny, übernimmt die Amtsgeschäfte vorerst kommissarisch.
Der Rundfunkrat ist eines der Kontrollgremien in dem öffentlich-rechtlichen Sender, er hat die Programmarbeit im Blick. Das Gremium wählt auch den Intendanten. Am Montag hatten die Rundfunkratsmitglieder Schlesinger als Intendantin abberufen. Der Verwaltungsrat als zweites Kontrollgremium behandelt nun die konkrete Vertragsauflösung.