AKW Isar 2 im Kurzstillstand Unter Hochspannung vom Netz - für eine Woche
Nach der Entscheidung zum Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken geht Isar 2 wegen Wartungsarbeiten vom Netz. Die Reparatur sorgte bundesweit für hitzige Diskussionen. Vor Ort ist der Rückhalt für das AKW groß.
Das Kernkraftwerk Isar 2 ist heruntergefahren und vom Netz. Zumindest für eine Woche. Wenige Tage nach dem "Machtwort" des Bundeskanzlers, die drei aktiven Kernkraftwerke in Deutschland nun doch über das Jahresende hinaus am Netz zu lassen, werden in Niederbayern die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen. Dafür braucht es eine Reparatur, die in den vergangenen Monaten für hitzige Diskussionen sorgte.
In den frühen Morgenstunden kam fast kein Dampf mehr aus dem Kühlturm von Isar 2. Eine Spezialfirma hat übernommen, konkret müssen im Reaktorsicherheitsbehälter innere Leckagen an Vorsteuerventilen behoben werden. Eine Reparatur im sensiblen Bereich des Kraftwerks, die in der öffentlichen Wahrnehmung schnell für Nervosität sorgt, von der Betreiberfirma hingegen als reiner Routineeingriff beschrieben wird.
Kraftwerksleiter spricht von "Standardmaßnahme”
"Die Überholung dieser Ventile ist eine Standardmaßnahme", erklärt Kraftwerksleiter Carsten Müller im ARD-Interview. "In der üblichen Revision haben wir diese Armaturen jedes Jahr überholt, neu eingestellt und wieder eingebaut. Das ist überhaupt nichts Ungewöhnliches. Das Ungewöhnliche ist, dass dieses Thema nun in die Öffentlichkeit getragen wurde."
Denn im September wird bekannt, dass der Weiterbetrieb von Isar 2 nicht ohne weiteres möglich sein wird. "Innere Leckagen" werden in Medienberichten zum "Leck" abgekürzt, einmal mehr wird die Frage nach der Sicherheit der Anlage gestellt.
Unmut auch in Berlin, wo Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Grüne) kritisiert, keine früheren Hinweise aus Bayern erhalten zu haben. Dort halten die Kraftwerksbetreiber und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) dagegen. Es seien keine Grenzwerte überschritten worden, es handle sich um keinen meldepflichtigen Vorgang. Hängen bleibt aber: Ohne Reparatur geht es für Isar 2 nicht weiter.
Krisenkommunikation Kernkraft
Die Betreiberfirma Preussen Elektra gibt sich deswegen transparent, der genaue Ablauf des Eingriffs wird detailliert auf der Website des Kernkraftwerks beschrieben. Krisenkommunikation in Zeiten, in denen Befürworter und Gegner der Kernkraft die Vorgänge in den Kraftwerken millimetergenau verfolgen.
Dennoch endet die Transparenz der Kraftwerksbetreiber in der Regel am Zaun zum Betriebsgelände, spätestens aber an den Mauern der Gebäude. Öffentlich zugängliche Bilder von der Reparatur gibt es nicht. Zurückhaltung bei den Details, trotz der immer wieder betonten Routine.
Atomausstieg als Wahlkampfthema
Unterdessen geht in Bayern die Debatte um den Atomausstieg weiter. Die Laufzeit der Meiler ist längst auch Wahlkampfthema. Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern kann mit der Entscheidung des Kanzlers wenig anfangen. Beide Parteien sprechen sich seit Monaten für den Kauf neuer Brennelemente aus, fordern den Weiterbetrieb über mehrere Jahre. Die Meinungen gehen nur bei der Frage auseinander, ob 2024 oder erst 2025 Schluss sein soll.
Sich auf das fixe Datum für den Atomausstieg im April zu versteifen sei fahrlässig, sagt der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im ARD-Interview: "Man sollte sich zumindest darauf vorbereiten, dass man noch den Winter bis 2024 mit Atomkraft begleitet. Deswegen müsste man nach meinem Dafürhalten jetzt schon Brennstäbe vorbestellen." Die müssten nicht zwingend eingesetzt werden, so Aiwanger. Für den Fall, dass sich die Situation im nächsten Winter wiederholen sollte, sei das Land so zumindest vorbereitet.
Viel Rückhalt in der Region
Aiwanger ist selbst Niederbayer, stammt aus dem Landkreis Landshut, wo auch das Kernkraftwerk steht und seit Jahrzehnten die Region geprägt hat. Mit seiner Forderung rennt er hier offene Türen ein. Das AKW genießt großen Rückhalt, gilt als Wirtschaftsmotor und guter Arbeitgeber. Seit rund 43 Jahren werde hier Strom ohne größere Zwischenfälle produziert, sagen Befürworter. Da komme es auf wenige Monate oder Jahre mehr auch nicht mehr an.
Zu den Kritikern zählt die Landshuter Grünen-Politikerin Rosi Steinberger. Sie ist Atomkraftgegnerin der ersten Stunde und kämpft seit Jahren für die Abschaltung. Dass sich diese nun weiter nach hinten verschiebt, sei schmerzhaft, sagt die Landtagsabgeordnete. Ein altbekanntes Hin und Her, das in der Notlage aber noch dieses eine Mal mitgetragen werden könne: "Klar ist aber, dass keine neuen Brennelemente mehr gekauft werden dürfen. Das ist für uns die rote Linie. Daran darf nicht mehr gerüttelt werden."
Betreiber müssen sicheren Betrieb im Frühjahr schaffen
Wenige Tage nach der Entscheidung, die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis 15. April 2023 am Netz zu lassen, ist die Anspannung hoch. Preussen Elektra hat sich in der Debatte über eine mögliche Verschiebung des Atomausstiegs immer wieder gesprächsbereit gezeigt. Sollte sich die Politik für den Weiterbetrieb entscheiden, werde Preussen Elektra alles daransetzen, diesen Wunsch auch umzusetzen.
Jetzt liegt es an den Betreibern, alle Voraussetzungen für den sicheren Betrieb im Frühjahr 2023 zu schaffen - personell, wie auch technisch. In gut einer Woche soll das Kernkraftwerk Isar 2 wieder hochgefahren werden. Vermutlich zum letzten Mal in seiner Geschichte.