Nordsyrien-Plan Massive Kritik an Kramp-Karrenbauer
Schlechte Kommunikation, schlechter Zeitpunkt, schlechte Außenwirkung und inhaltlich schwach: Die SPD ärgert sich über Kramp-Karrenbauers eigenmächtigen Syrien-Plan. Beifall bekommt sie von einem ehemaligen Kontrahenten.
Kurz vor der Halbzeitbilanz der Großen Koalition zeigt sich die SPD vergrätzt über den Alleingang von CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hatte ohne Absprache einen Plan für eine internationale Schutzzone in Syrien vorgestellt. Wie sie das gemacht hat und was sie da plant, missfällt der SPD gleich in mehreren Punkten - deutlich.
Einer dieser Punkte ist der Umstand, dass Kramp-Karrenbauer den Koalitionspartner offenbar nicht in ihre Planungen mit einbezogen hat. Erst kurz zuvor informierte sie Außenminister Heiko Maas via SMS über ihr Vorhaben - ohne ins Details zu gehen. "Von SMS-Diplomatie halte ich wenig. Daraus wird schnell eine SOS-Diplomatie", sagte Außenminister Heiko Maas dazu.
Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte Kramp-Karrenbauers Vorgehen scharf. Es dürfe in der Bundesregierung nicht üblich werden, sich durch SMS über Initiativen in Kenntnis zu setzen, sagte er vor einer Fraktionssitzung im Bundestag. "Ich finde, Frau Kramp-Karrenbauer muss endlich ankommen im Kabinett." Er betonte spitz in den tagesthemen, Kramp-Karrenbauer hätte das Thema ruhig beim Koalitionsausschuss am Sonntag bereits ansprechen können, wo es einen durchaus "interessierten Kreis" gegeben habe.
Deutschland in keinem guten Licht
Der zweite Kritikpunkt: Kramp-Karrenbauers Alleingang lasse Deutschland nach außen in keinem guten Licht dastehen. "Das hätte man anders machen müssen", sagte Maas am Morgen in der Sendung "Frühstart". International werde erwartet, "dass wir verlässlich sind, dass die Bundesregierung als Ganzes arbeitet und solche Vorschläge macht". Das tue Kramp-Karrenbauer nicht. "Deshalb müssen wir das jetzt klären. Es geht auch um das Vertrauen in die deutsche Außenpolitik."
In diese Kerbe stößt auch Mützenich: Es gebe inzwischen Anrufe von Partnern, "die sich offensichtlich nicht angesprochen fühlen oder nie gefragt worden sind", sagte er in den tagesthemen. "Das ist schon ein Riesendurcheinander, was Frau Kramp-Karrenbauer jetzt mit ihrer Initiative befördert hat."
Frankreich zeigt sich irritiert über Vorschlag
Ähnlich sieht das auch die Opposition. Der Grünen Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte vor allem die fehlende Abstimmung zwischen Außen- und Verteidigungsministerium. "Eine Verteidigungsministerin, die mit halbgaren Vorschlägen zum internationalen Krisenmanagement an die Öffentlichkeit geht, trägt dazu bei, dass Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner in der internationalen Gemeinschaft einen schweren Schaden erleidet", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
Dass das Vorgehen Kramp-Karrenbauers tatsächlich auf internationale Irritation stößt, zeigt sich in Frankreich. Dort ist ihr Plan mit Skepsis aufgenommen worden. Der Vorschlag sei zwar sicherlich "gut gemeint", sei aber nicht mit den Partnern abgestimmt und passe nicht zu den "Dynamiken" vor Ort, hieß es in Paris. Außerdem werde den anderen "der schwierige Teil" überlassen. Kramp-Karrenbauers Vorschlag sei vermutlich innenpolitisch motiviert.
Kritik auch am Zeitpunkt
Der dritte Kritikpunkt der SPD bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem Kramp-Karrenbauer ihren Plan präsentierte - nämlich unmittelbar vor einem Treffen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag. "Es wäre vielleicht klug gewesen, dieses Treffen abzuwarten, um auf der Basis zu entscheiden, wie man weiter vorgeht", sagte der Außenminister.
Putin und Erdogan hatten türkisch-russische Patrouillen in Nordsyrien vereinbart. Maas sieht jetzt die Verteidigungsministerin in der Pflicht. Er erwarte, dass sie im Laufe des Mittwochs ihre Vorschläge konkretisiere: "Natürlich wollen wir wissen, was das für die deutsche Bundeswehr heißt. Denn wenn man solche Vorschläge international macht, dann wird natürlich gefragt: Was tragt ihr denn bei?" Es gebe viele Fragen, die nicht geklärt seien. Kramp-Karrenbauer müsse jetzt liefern, so Maas.
Auch mit Blick auf die bevorstehende Halbzeitbilanz der Großen Koalition findet die SPD den Zeitpunkt ungünstig: "Frau Kramp-Karrenbauer hat mit ihrer unabgesprochenen Initiative durchaus Unruhe in unsere Diskussion gebracht, das hat auch unsere Fraktionssitzung heute gezeigt", sagte Mützenich am Dienstag.
Unterstützung für abgelehntes Vorgehen
Der vierte Kritikpunkt der SPD betrifft den Inhalt vom Plan Kramp-Karrenbauers Plan. "Was Frau Kramp-Karrenbauer derzeit macht, ist eine Militarisierung der Außenpolitik. Weil sie unterstellt, dass zum Beispiel mit Truppen dort eine andere Situation geschaffen wird", sagte Mützenich im ZDF "heute journal".
Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, sieht den Plan inhaltlich sehr kritisch: Wenn sich Deutschland an der Schutzzone beteiligen würde, die nun von Russland und der Türkei kontrolliert werden würden, "dann unterstützen wir ja möglicherweise Fakten, die wir aber im Kern ablehnen", sagte Annen im Deutschlandfunk. Denn die deutsche Haltung sei klar: Die Bundesregierung erwarte von der Türkei weiter den Abzug aus Syrien.
Kampf im Grenzort Ras al-Ain: Soll sich Deutschland an der Sicherung der Region beteiligen? Daran gibt es Kritik.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für Annen die Frage, was eine Beteiligung an einer Sicherheitszone in der aktuellen Lage konkret bedeuten würde. "Werden wir dann quasi zu einer unterstützenden Kraft für die russische Politik in Nordost-Syrien? Das kann ich mir eigentlich beim besten Willen nicht vorstellen, und deswegen gibt es in der Tat sehr viele wichtige Details jetzt zu klären."
Problem schon seit Jahren ungelöst
Auch die Opposition zeigt sich skeptisch über den Vorschlag von Kramp-Karrenbauer: Schutzzonen in Syrien würden seit mehreren Jahren immer wieder gefordert und seien immer daran gescheitert, dass es zwischen dem Westen, Russland und der Türkei nie einen Konsens hierüber gegeben habe, sagte der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, der "Heilbronner Stimme". "Wieso jetzt plötzlich diese Blockade sich auflösen soll, nur weil die deutsche Verteidigungsministerin mit dem Vorschlag erneut um die Ecke kommt, erschließt sich mir nicht."
Rückendeckung aus der CDU
Grundsätzliche Unterstützung bekommt Kramp-Karrenbauer von Kanzlerin Angela Merkel. Auch vom ehemaligen Unionsfraktionschef Friedrich Merz bekommt die Ministerin Rückendeckung. Freilich müsse man abwarten, wie der Vorschlag konkret ausgestaltet werde, sagte Merz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wichtig ist aber das Signal, dass wir bereit sind, außen- und sicherheitspolitisch Verantwortung zu übernehmen."
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul, stellt sich hinter den Syrien-Vorschlag von Kramp-Karrenbauer gestellt. Alle wüssten, dass es sich nicht um einen fertigen Vorschlag handelt, sagte er auf NDR Info. Es sei aber eine mutige Initiative. "Natürlich ist noch vieles zu besprechen und natürlich ist es nicht so, dass morgen Soldaten entsandt werden. Aber man muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, und die Union unterstützt sie dabei."