Syrien Was will die Verteidigungsministerin?
Eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien - Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer erntete viel Aufmerksamkeit für ihren Vorschlag. Doch was genau meint sie mit der Sicherheitszone?
Sicherheitszone oder Schutzzone? Das ist eine der zahlreichen Fragen, die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer offen ließ bei ihrem Vorschlag zur Stabilisierung der Lage in Nordsyrien. Eine Klärung würde helfen zu verstehen, was die CDU-Chefin konkret meint.
Sicherheitszone ist der Begriff, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verwendet, um den Einmarsch am 9. Oktober in Syrien zu begründen. Er will dort eine 30 Kilometer breite und Hunderte Kilometer lange Zone errichten und syrische Flüchtlinge ansiedeln. Die Kurden-Miliz YPG soll sich aus dem Gebiet zurückziehen. Entstehen würde damit eine militärische Pufferzone an der Grenze zur Türkei. Kramp-Karrenbauer hatte dies scharf kritisiert, sie und das Verteidigungsministerium verwendeten dennoch das Wort Sicherheitszone.
Kramp-Karrenbauer blieb bislang wenig konkret in ihren Erläuterungen zu einer international kontrollierten Schutzzone.
Der Begriff Schutzzone wiederum lehnt sich an Einsätze von UN-Friedenstruppen zum Beispiel in den Jugoslawienkriegen während der 90er-Jahre an. Die "Blauhelme" sollten in den "United Nations Protected Areas" die Bevölkerung schützen. Allerdings wurde für diese englische Formulierung im Deutschen nicht durchgängig der Begriff Schutzzone verwendet.
Sowohl als auch
Kramp-Karrenbauer nutzte in Interviews am Montag beide Begriffe. Der Deutschen Welle sagte sie zum Beispiel: "Mein Vorschlag ist, dass wir eine international kontrollierte Sicherheitszone unter Einbeziehung der Türkei und unter Einbeziehung von Russland einrichten."
Dazu erläuterte sie im ZDF, die international kontrollierte Zone solle sicherstellen, dass einerseits der Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) wieder aufgenommen werden könne. Zum anderen solle die Region so stabilisiert werden, dass ein ziviler Aufbau und eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen möglich sei. In den tagesthemen sprach sie auch von einer Schutzzone.
"Humanitäre Schutzzone"
Kramp-Karrenbauers Parteikollege Roderich Kiesewetter hatte zuvor im RBB-Inforadio die Einrichtung einer "humanitären Schutzzone" gefordert und damit begrifflich einen klaren Unterschied zu den Vorstellungen Erdogans formuliert.
Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour wiederum kritisierte die Unschärfen in Kramp-Karrenbauers Vorschlag mit dem Hinweis darauf, dass die Einbeziehung der Türkei in eine internationale Zone so aussehen könnte, als komme sie damit Erdogans Versuch entgegen, "ein Freiluftgefängnis für zwei Millionen syrische Flüchtlinge im Norden Syriens zu errichten".
Deutsche Soldaten in Syrien?
Die Wortwahl spielt nicht nur eine Rolle, weil Kramp-Karrenbauer bislang wenig zur Ausgestaltung der Zone gesagt hat. Ihr Vorschlag bedeutet auch eine Änderung deutscher Außenpolitik: Bei einer Umsetzung würde die Bundesrepublik erstmals eine Initiative mit militärischer Komponente anführen. Deutschland und die Europäer wären dann nicht mehr "Zaungast", wie Kramp-Karrenbauer mehrfach erklärte.
In den Interviews sprach sie zwar von einer Initiative auf politischer und diplomatischer Ebene. Eine Umsetzung müsste aber militärisch erfolgen. CDU-Außenpolitiker Kiesewetter beschrieb dies konkret: EU-Kräfte sollten mit einem Mandat der Vereinten Nationen in Absprache mit Russland das Gebiet überwachen. Dafür seien 30.000 bis 40.000 Soldaten notwendig. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte bereits vor Tagen eine Blauhelmmission mit aktiver Beteiligung der Bundeswehr gefordert.
Bis zu 12.000 Bundeswehrsoldaten nötig
SPD-Politiker Fritz Felgentreu rechnete im Deutschlandfunk vor, wie Deutschland gefordert werden könnte: Wenn sich die Bundeswehr mit fünf Prozent beteiligen würde, wären das 2000 Soldaten. Über vier Quartale würde das mindestens 8000 Soldaten im Jahr bedeuten, mit Nachbereitung würde eine Größenordnung von 12.000 Soldaten erreicht. "Ich sehe gar nicht, wo die herkommen sollen, wo wir die Ausrüstung für die hernehmen sollen", sagte Felgentreu. Die Bundeswehr sei mit ihren Einsätzen bisher schon mehr als nur gut ausgelastet.
Felgentreu sieht die Bundeswehr nicht in der Lage zu einem Einsatz für eine Schutzzone in Syrien.
Auf die militärische Umsetzung angesprochen, verwies Kramp-Karrenbauer auf den Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS im Irak, wo sie Sicherheitskräfte ausbildet und an der Luftraumüberwachung beteiligt ist. Außerdem werde dort ein zivil-militärischer Ansatz verfolgt. Ansonsten verwies Kramp-Karrenbauer auf den Bundestag, der über ein Mandat entscheiden müsse.
Im Irak beteiligt sich die Bundeswehr an der Ausbildung und der Luftraumüberwachung.
Der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Nils Schmid, sprach weitere Probleme an. So fragte er, warum Russland westliche Truppen nach Nordsyrien lassen sollte, wo die USA doch gerade abziehen.
Russland sehr entgegen käme hingegen eine Beteiligung am kostspieligen zivilen Wiederaufbau Syriens, den auch Kramp-Karrenbauer erwähnte. Jedoch wäre die Frage, wie verhindert werden soll, dass letztlich die syrische Führung um Präsident Baschar al Assad davon profitiert.
Allein auf weiter Flur
Über die zahlreichen Fragen hinter diesem "mutigen" Vorschlag, wie CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen das Ansinnen lobte, sprach Kramp-Karrenbauer offensichtlich bisher weder mit dem Koalitionspartner SPD, noch mit den Partnern Frankreich, Großbritannien und den USA.
Kramp-Karrenbauer wollte den Vorschlag bewusst vor dem Treffen Erdogans mit Putin in Sotschi platzieren und mit Merkel anstehende Treffen nutzen, um zu klären, ob Europäer und Amerikaner mitmachen. "Jetzt geht es darum auszuloten, ob wir als Europäer die Kraft für eine solche Initiative haben", sagte sie.
Jedoch ist fraglich, ob Putin und Erdogan den Vorschlag ernst nehmen, nachdem Kramp-Karrenbauer ihn allein vorgetragen hatte - ohne jegliche Zusage von den Partnern im In- und Ausland. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer sprach denn auch lediglich von einer "Idee", die zunächst mit Verbündeten wie Frankreich und Großbritannien besprochen werden müsse.
Dort und in Washington wird man sich an das bescheidene Engagement der Bundesrepublik erinnern. So hatten die USA vor einigen Monaten auch Deutschland um Ersatz für abziehende US-Soldaten in Syrien gebeten. Die Bundesregierung hatte eine stärkere Beteiligung über Aufklärungsflüge über Syrien hinaus abgelehnt.
Bereits 2012 hatte die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton über eine Flugverbotszone in Syrien gesprochen. Den notwendigen militärischen Einsatz hatten die USA und ihre Partner jedoch mit Blick auf Syriens Verbündeten Russland gescheut. Drei Jahre später begann Russland offen seinen Militäreinsatz in Syrien.