Drei Jahre nach der Flutkatastrophe Anpacken für den Hochwasserschutz
Die Flutkatastrophe hat auch in Bad Münstereifel und im kleineren Schweinheim tiefe Spuren hinterlassen. Die Bewohner hoffen auf effektiven Hochwasserschutz - und gehen in Vorleistung.
Ein brauner Teddy thront im Schlamm auf einem zerfetzten Jugendstil-Sofa. Der Buchladen von Josef Mütter in der zentralen Altstadt von Bad Münstereifel war vor der Flutkatastrophe 2021 gut besucht. Jetzt findet er sich zwischen kahlen Wänden und Renovierungsarbeiten wieder. Fotos im Schaufenster erinnern an die katastrophale Zerstörung in der Straße, als die Erft in Bad Münstereifel die ganze Innenstadt überflutete. Zerstörte Bücher und Möbel überall im Laden - der Schlamm ist bis heute sichtbar.
"Ich bin einmal nachts runtergegangen in den Laden und hab dann bis zur Brust im Wasser gestanden", sagt der Buchhändler. Die Renovierungsarbeiten laufen auch noch drei Jahre später. Die Versicherung habe lange gebraucht, erzählt er. Er hofft, dass er bis Weihnachten wieder öffnen kann.
Fachwerkhäuser im Ahrtal: Vieles ist nach der Flut wieder errichtet worden.
Für den Abend hat Mütter eine Lesung mit einer Bestseller-Autorin organisiert - mitten in der Baustelle. Trotz bleibenden Schadens gibt er nicht auf: "Ja, es geht weiter." Er ist dankbar für den Zusammenhalt bei den Wiederaufbauarbeiten - bis heute sei es spürbar. "Wenn ich andere Städte an der Ahr sehe, dann ist das hier sensationell gelaufen."
"Wie ein Kriegsereignis"
Am Markt, direkt vor der Tür des Buchladens, stehen viele Fachwerkhäuser. Aufnahmen von der Flut wirken heute surreal: Alles stand unter Wasser, die Mauern seien eingerissen und die Pflasterstraße durchzogen von Kratern gewesen, beschreibt es Sabine Preiser-Marian, Bürgermeisterin der Stadt Bad Münstereifel. "Das sah aus wie nach einem Kriegsereignis." Fünf Menschen sind in Bad Münstereifel ums Leben gekommen.
Mittlerweile sind die Mauern und Straßen wieder errichtet worden, sagt sie. Auch die Brücken, Wohnungen und der Einzelhandel seien wieder aufgebaut worden. Die Instandsetzung dieser öffentlichen Infrastruktur haben Bund und Land mitfinanziert. Der Wiederaufbauplan umfasst 175 Millionen Euro - aber es wird noch mehr Geld gebraucht. Auch für den Hochwasserschutz, damit sich die Flutkatastrophe nicht wiederholt.
Zum Beispiel soll ein Rückhaltebecken entstehen, das die Wassermassen aufhalten kann. "Der Hochwasserschutz ist im Grunde eine Klimafolgeanpassung", sagt die Bürgermeisterin. "Das ist natürlich eine Sache, die wird uns noch einige Jahre begleiten."
Vieles sieht aus wie vor der Flut
Das wissen auch Landwirt Stephan Brock, Lehrerin Anja Tranelis und Steuerberater Karl Kreuzberg. Sie kannten sich vor der Flut wenig bis gar nicht. Doch die drei sind nun Teil einer Arbeitsgemeinschaft, mit der sie Hochwasserschutz in ihrem Dorf nach vorne bringen wollen. Sie leben im 400 Seelen Ort Schweinheim, nördlich von Bad Münstereifel.
Wieder aufbauen - oder nicht? Diese Frage stellten sich im Ahrtal manche Bewohner nach der Flut.
In dem Dorf sieht vieles wieder aus wie vor der Flut. Doch in einzelnen Gebäuden scheint die Uhr stehen geblieben zu sein. Zum Beispiel in der 55 Quadratmeter Wohnung von Stephan Brock. Bis vor Kurzem hatte der noch arge Verhandlungen mit seiner Versicherung.
Doch nun ist klar, dass sie zahlt und die Sanierungsarbeiten losgehen können. "Aber wenn wir jetzt hier aufbauen und es bei einigen ja auch trotz allem finanziell noch arg knirscht, dann muss ich auch die Sicherheit haben, dass sowas in ähnlicher Form nicht mehr passiert", sagt Brock.
Ort wieder aufbauen - oder nicht?
Anja Tranelis erinnert sich: "Es ist wie so ein Blockbuster und dann fällt mir irgendwann wieder ein: Ich war ja dabei." Die Auswirkungen des Klimawandels so hautnah mitzuerleben, war doch eine Erfahrung, auf die auch Karl Kreuzberg hätte verzichten könnten: "Naturkatastrophen, die haben wir bis vor drei Jahren nur aus dem Fernsehen gekannt und irgendwann realisiert man dann, man war mitten in einer drin."
In der Arbeitsgemeinschaft diskutieren sie seit einiger Zeit Konzepte, laden Politiker ein, mit denen sie die Pläne durchgehen und wollen auch wissen, was finanziell möglich ist und was nicht. "Wir haben uns wirklich die Gretchenfrage gestellt: Bauen wir diesen Ort wieder auf oder lassen wir es besser?", so Landwirt Brock. "Bis auf ein paar Häuser waren ja alle Häuser betroffen. Das ist ein irres Schadensbild. Wir haben hier in der Ortschaft bei 100 Häusern circa 30 Millionen Euro Schaden."
Wassermassen mehr Raum geben
Eine Lösung, die sie anstreben, ist das Verbreitern der beiden kleinen Flüsse, die durch den Ort fließen. Sie planen, den Wassermassen mehr Raum zu geben. Sollte es wieder zu einem Hochwasser kommen, könnten die Wassermassen ohne große Schäden durch den Ort fließen.
Doch Hochwasserschutz ist nicht leicht und vor allem eins: bürokratisch. Die meisten Menschen könnten rechtzeitig gewarnt werden, weiß auch Euskirchens Landrat Markus Ramers von der SPD, doch der Gebäudeschaden wäre immer noch ähnlich schlimm wie damals.
Vielerorts sind noch Sanierungsarbeiten nötig - nicht selten sind Versicherungsfragen ungeklärt.
Daher hat er eine klare Forderung an Land und Bund: "Ich wünsche mir, dass die Verfahren im Bereich des Hochwasserschutzes einfacher und schneller werden. Und dass wir das Tempo, was wir an anderer Stelle beweisen - wenn wir über LNG-Terminals und den Ausbau von Windenergie sprechen - dass wir eben dieses Tempo auch an den Tag legen, wenn es um Hochwasserschutz geht."
Planung in Eigeninitiative
Die Schweinheimer planen daher schon mal alles in Eigeninitiative - ehrenamtlich, regelmäßig und in ihrem Gemeindehaus. Wo sie jetzt gemeinsam an einem Strang ziehen, sagt Brock. "Bis jetzt warst du ja irgendein Einzelkämpfer in deinem Ort und einzelne Leute kennst du, aber jetzt kennst du das große Ganze - und merkst auf einmal in was für einer tollen Gemeinschaft du lebst."