Treffen in Essen AfD-Parteitag geht weiter
Die AfD setzt in Essen ihren Parteitag fort. Unter anderem diskutiert die Partei über das mögliche neue Amt eines Generalsekretärs. Im Gegensatz zu gestern gab es heute kaum Proteste von AfD-Gegnern.
Die AfD schließt heute ihren zweitägigen Bundesparteitag in Essen ab. Im Fokus steht ein Antrag, der die Installation eines Generalsekretärs vorsieht. Den gibt es bei der AfD bislang nicht.
Debattiert wird auch über die außenpolitische Ausrichtung etwa mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In einer Resolution, hinter der auch Parteichefin Alice Weidel steht, heißt es, Deutschland müsse sich stärker von der US-Außenpolitik emanzipieren. Gefordert wird ein Ende der Waffenlieferungen in die Ukraine.
Außerdem sind weitere Reden Weidels und ihres Co-Parteichefs Tino Chrupalla geplant. Beide wurden gestern für zwei weitere Jahre in ihren Ämtern bestätigt. Chrupalla erhielt 82,7 Prozent, Weidel 79,8 Prozent. Beide traten ohne Gegenkandidaten an.
Deutlich weniger Proteste als gestern
Nach massiven Protesten gegen den Parteitag am Samstag blieb es am verregneten Sonntagmorgen rund um die Essener Grugahalle zunächst ruhig. An einer Mahnwache in Sichtweite der Halle nahmen nach Schätzung der Nachrichtenagentur dpa rund 150 Menschen teil. Veranstalter war das Bündnis "Essen stellt sich quer".
Der Auftakt des Parteitags war dagegen von massiven Protesten Zehntausender Menschen begleitet worden. Laut Polizei gab es seit Freitagabend insgesamt 32 Gegendemonstrationen. Größtenteils verliefen sie friedlich.
Immer wieder hätten aber größere Gruppen durch gewaltsame Störaktionen versucht, die Delegierten an der Teilnahme zu hindern. Es gab Rangeleien mit der Polizei, diese setzte teilweise Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Einige Delegierte wurden unter massivem Polizeischutz zu Fuß durch die aufgebrachte Menge in die Grugahalle geleitet.
Der Polizei zufolge wurden insgesamt 28 Einsatzkräfte verletzt. In einem Fall hätten Polizisten einen Delegierten zur Grugahalle geleitet, dabei seien sie von etwa 200 Personen attackiert worden. Ein Polizist erlitt dabei schwere Verletzungen. Ursprünglich war die Rede von zwei Schwerverletzten gewesen - die Verletzungen einer Beamtin stellten sich im Krankenhaus aber als nicht so schwer heraus wie ursprünglich angenommen. Die Täter entkamen demnach in der Menschenmenge. Die Polizei werte nun Videoaufnahmen von dem Vorfall aus und bitte um Zeugenhinweise.
Auch Demonstranten erlitten Verletzungen, etwa durch Pfefferspray. Die Anzahl der verletzten Protestierenden ist noch nicht bekannt.
Massive Protestaktionen gegen AfD-Parteitag in Essen - Zehntausende ziehen friedlich durch die Stadt
Biss in die Wade durch AfD-Mitglied
Ein Zusammenstoß mit einem Delegierten sorgte für weiteres Aufsehen: So biss das AfD-Mitglied Stefan Hrdy einem Demonstranten in die Wade - nach eigener Darstellung aus Notwehr. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa, er sei auf eine Blockade von AfD-Gegnern gestoßen. Als er aus seinem Auto ausgestiegen sei, um einen Polizisten zu bitten, den Weg für ihn freizumachen, sei er attackiert worden: "Dann bekam ich einen Tritt in die rechte Wade, fiel hin und zwei oder drei sind auf mich drauf gefallen, ich sage mal gefallen, und dann kam ein Tritt von rechts, ich konnte ein bisschen ausweichen, habe mich dann in das Bein verklammert und zugebissen, damit ich nicht noch einen Tritt abbekomme."
Ein von der Bild-Zeitung veröffentlichtes Video des Vorfalls deckt sich in Teilen nicht mit Hrdys Darstellung. So ist dort nur zu sehen, dass ein Demonstrant mit dem Bein auf ihm liegt, dem Hrdy in die Wade beißt. Der geschilderte Tritt ist nicht zu erkennen, allerdings ist die Szene zwischenzeitlich verdeckt.
Kritik an Gewalt gegen Einsatzkräfte
Weidel und Chrupalla äußerten sich schockiert über die tätlichen Angriffe auf Polizisten. Die Gewalt habe den Parteitag "verdorben", sagte Chrupalla am Rande des Parteitags. Weidel nannte die Vorfälle "skandalös". "Ich glaube, dass wir insgesamt abrüsten sollten mit der gesamten Rhetorik", sagte Weidel auch in Richtung der Medien. Für Chrupalla ist die Eskalation auch ein Zeichen der Spaltung in der Gesellschaft. Diese sei "der falsche Weg", sagte er. Es sei "erschütternd, was da vor unseren Türen passiert ist".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb bei X, "gegen Rechtsextremismus und Rassismus brauchen wir starke demokratische Kräfte und friedlichen Protest", Gewalt sei "durch nichts zu rechtfertigen". Sie dankte der Polizei, "die gegen linke Chaoten durchgreift". NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schrieb ebenfalls auf X: "Jeder kann so hart in der Sache diskutieren, wie er möchte - aber Gewalt darf nie das Mittel der Wahl sein." Er nannte friedliche Proteste am Rande des Parteitags ein "starkes Zeichen für unsere Demokratie".
"Mein geliebter Tino"
In der Grugahalle verlief der erste Tag so harmonisch wie selten bei der AfD. Für die Wiederwahl der Vorsitzenden schlug Chrupalla seine "geliebte" Co-Vorsitzende als Kandidatin vor. Weidel nahm den Ball auf und verkündete, sie wolle zusammen "mit meinem geliebten Tino" in die Planung für den Bundestagswahlkampf gehen.
Chrupalla formulierte für seine Partei einen Anspruch auf Regierungsverantwortung. Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg solle für die AfD "die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen", sagte er. "Wir wollen regieren - erst im Osten, dann im Westen, dann im Bund."
Weidel bezeichnete es als eine der zentralen Aufgaben ihrer neuen Amtszeit, "diese unsäglichen Brandmauern abzureißen", mit denen sich andere Parteien von der AfD abgrenzten - räumte aber auch ein, dass eine Regierungsbeteiligung im Bund nach der Wahl 2025 "ziemlich unwahrscheinlich" sei.
"Ukraine gehört nicht zu Europa"
In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden die AfD-Landesverbände von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem geführt, das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Bundes-AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall - eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hat. Unter dem Applaus ihrer Parteifreunde schimpfte Weidel: "Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden, und er gehört in dieser Form abgeschafft."
Der Ampelkoalition warf Weidel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine Eskalationsrhetorik vor. "Diese Herren Ampel-Minister sollten endlich Verantwortung übernehmen und selbst an die Front gehen, aber Hände weg von unseren Söhnen und Vätern", sagte sie. Lauten Beifall erntete Weidel, als sie sagte, zu den Interessen Deutschlands und Europas gehöre, "dass die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört und zu Europa".