Verfassungsschutz zu AfD-"Flügel" Erwiesen rechtsextrem
Der AfD-"Flügel" ist für den Verfassungsschutz jetzt offiziell ein Beobachtungsfall. Der Zusammenschluss sei eine "erwiesen extremistische Bestrebung", seine Gründer Rechtsextremisten, sagte Behördenchef Haldenwang.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat den von AfD-Mitgliedern gegründeten "Flügel" offiziell unter Beobachtung gestellt. Es handle sich bei der Gruppierung um eine "erwiesen extremistische Bestrebung", sagte Behördenchef Thomas Haldenwang bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Im Januar 2019 hatte der Verfassungsschutz den "Flügel" bereits als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft, ebenso die Nachwuchsorganisation der AfD, die Junge Alternative.
Observation und Datensammlung erlaubt
Seine wichtigsten Vertreter, der Thüringer Fraktionsvorsitzende Björn Höcke und der Brandenburger Fraktionschef Andreas Kalbitz, seien "Rechtsextremisten", sagte Haldenwang zur Begründung der Beobachtung. "Wenn sich die Spielarten des Extremismus erweitern, dann erweitern auch wir unseren Beobachtungsradius."
Bei einem Verdachtsfall ist der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln wie etwa Observation erlaubt. Die jetzt erfolgte Einstufung als Beobachtungsobjekt bedeutet, dass die Bewegung mit dem kompletten Instrumentarium nachrichtendienstlicher Mittel beobachtet werden darf. Dazu zählen beispielsweise die Observation und das Anwerben von Informanten. Daten zu einzelnen Personen dürfen gesammelt und gespeichert werden. Was ein Abgeordneter im Plenum oder Ausschüssen sagt, darf allerdings nicht in die Akten einfließen.
"Flügel" offiziell nicht Teil der AfD
Zum "Flügel" gehört neben Höcke unter anderem auch AfD-Bundesvorstand Andreas Kalbitz, der in der Vergangenheit enge Kontakte zu Neonazis unterhielt.
Offiziell ist die Gruppierung nicht Teil der Partei, daher gibt es keine Mitgliedslisten - nach ARD-Informationen dürften dem Flügel aber ein knappes Drittel der Parteimitglieder angehören. Insbesondere in Sachsen und Thüringen dominiert der als besonders radikal geltende "Flügel" die parteipolitische Linie der AfD.
Anhänger des rechten "Flügels" versammeln sich einmal im Jahr zum sogenannten "Kyffhäusertreffen". An dieser Veranstaltung haben in der Vergangenheit auch AfD-Politiker teilgenommen, die sich selbst nicht der Gruppierung zurechnen, etwa der Parteivorsitzende Jörg Meuthen.
AfD veröffentlicht relativierende Stellungnahmen
Die AfD hatte gestern Stellungnahmen von Funktionären der Partei veröffentlicht, mit denen diese frühere Äußerungen zum Islam, zur Einwanderung und zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber "klarstellen" wollten. Damit sollten Vorhaltungen des Verfassungsschutzes entkräftet werden. Nicht alle diese Äußerungen stammten von Anhängern des "Flügels".
Beispielsweise erklärte Hans-Thomas Tillschneider, "Flügel"-Mitbegründer und Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt: "Es handelt sich bei dem Vergleich des Islams mit einem Baumpilz um eine drastische und polemisch überzogene Bildlichkeit, die ich 2017 verwendet habe, auf die ich aber nicht mehr zurückgreifen würde, da sie falsche Assoziationen weckt. Wichtig ist mir deshalb die Betonung, dass ich nicht Menschen mit Parasiten vergleiche, sondern eine Parallelgesellschaft."
Die Partei selbst will die Beobachtung nicht akzeptieren: "Die AfD wird mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen die Beobachtung vorgehen!", twitterte Bundesvorsitzende Alice Weidel.
Weidel kündigt "rechtsstaatliche Mittel" an
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, begrüßte die Beobachtung des "Flügels". Dies sei der "einzig richtige Schritt" für eine "offensichtlich rechtsextremistische Gruppierung", erklärte Knobloch. Die staatlichen Stellen müssten prüfen, wie groß der Einfluss des "Flügels" innerhalb der Partei sei.
Am Ende müsse ihrer Ansicht nach eine Beobachtung der gesamten AfD stehen, die auch als Ganzes bei Wahlen antrete und "in toto eine Gefahr für die freiheitliche Demokratie darstellt", sagte Knobloch.
In Thüringen gesamte AfD Verdachtsfall
In Thüringer ist die gesamte AfD vom Landesverfassungsschutz von einem Prüf- zu einem Verdachtsfall hochgestuft worden, teilte die Behörde mit. Der Landesverband ist der Heimatverband von Björn Höcke. Durch die Einstufung als Verdachtsfall können nun nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden - wenn die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe, wie Landesverfassungsschutzchef Stephan Kramer sagte. Dazu gehöre etwa Observation oder Telefonüberwachung.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde nachträglich korrigiert.