Abschaffung von Paragraf 218 Paus will Straffreiheit bei Abtreibungen
Bundesfamilienministerin Paus fordert die Abschaffung des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs - und damit eine generelle Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbrüchen. Innerhalb der Koalition sieht man den Vorschlag skeptisch.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) dringt auf eine Abschaffung des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Es gehe um fundamentale, um existenzielle Fragen, es gehe um das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung und um das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Für sie sei das Strafgesetzbuch "nicht der richtige Ort, das zu regeln".
Paus: Ende der Stigmatisierung
"Wer anders als die Schwangeren selbst sollte entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können? Wer anders als die Frauen selbst sollte darüber entscheiden, wann und in welchen Abständen sie Kinder bekommen?", fragte Paus. Grundpfeiler des Menschenrechts auf reproduktive Selbstbestimmung seien neben dem Zugang zu sicheren und erschwinglichen Verhütungsmitteln auch die Gewährleistung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie einer selbstbestimmten und sicheren Schwangerschaft und Geburt. "Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dürfen nicht länger stigmatisiert werden", sagte die Ministerin.
Auch beim Koalitionspartner SPD waren in den vergangenen Monaten wiederholt Forderungen nach einer kompletten Abschaffung des Paragrafen 218 laut geworden - etwa von Juso-Chefin Jessica Rosenberg und von der Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe.
Die Ampelkoalition wolle daher in dieser Legislaturperiode prüfen, wie Regelungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches aussehen könnten. Dazu werde eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingesetzt, "um genau diese hoch komplexen juristischen Fragen zu klären", kündigte Paus an.
Bedenken in der Koalition
Der Vorstoß der Bundesfamilienministerin stößt in der Koalition jedoch auf Bedenken: Der aktuell geltende Strafrechtsparagraf stelle "als Ergebnis einer langen gesellschaftlichen Diskussion einen gelungenen Kompromiss" dar, sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr. "Aus ethischen und verfassungsrechtlichen Gründen stehe ich einem Aufkündigen des Kompromisses äußerst skeptisch gegenüber", fügte sie hinzu.
Die Koalition arbeite zudem "mit Hochdruck" daran, sogenannte Gehsteigbelästigungen von schwangeren Frauen zu beenden. Gemeint damit sind Protestaktionen von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern etwa vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Krankenhäusern oder Praxen. "Ich würde das gern 2023 mit einer Erweiterung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes regeln, um einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen ausdrücklich gesetzlich vorzuschreiben", sagte die Ministerin. Angedacht sei auch die Schaffung eines neuen Ordnungswidrigkeitentatbestandes, ihr Haus sei dazu in Gesprächen mit Innen- und Justizministerium.
Abstimmung über Neuregelung noch ausstehend
Nach der aktuellen Regelung sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland generell strafbar, bleiben aber unter bestimmten Bedingungen - unter anderem nach einer verpflichtenden Beratung und bei einer Durchführung bis zur 12. Schwangerschaftswoche - straffrei.
Die Einsetzung der Kommission zur Erörterung einer Neuregelung wurde im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart. Bislang ist allerdings unklar, wann das Gremium tatsächlich seine Arbeit aufnehmen wird. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über die Kommission sei noch nicht abgeschlossen. Ein konkreter Zeitpunkt für die Errichtung der Kommission stehe noch nicht fest.