Krise in Venezuela Der Kampf der Bilder
Eine blockierte Brücke an der Grenze zu Kolumbien ist zum Symbol für den Machtkampf in Venezuela geworden. Die USA werten die Blockade als Beweis für eine unmenschliche Politik; im Netz ist hingegen von Fake News die Rede.
Um die erste Hilfslieferung aus den USA für die Bevölkerung in Venezuela ist ein heftiger politischer Streit entbrannt. Zehn Lastwagen mit rund 100 Tonnen Lebensmitteln, Medikamenten und Hygieneartikeln warten nach US-Angaben in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta vor der Tienditas-Brücke auf die Fahrt nach Venezuela.
US-Außenminister Mike Pompeo verkündete auf Twitter, das Militär von Venezuela blockiere die Hilfslieferungen mit Frachtcontainern und einem Anhänger auf der Tienditas-Brücke.
Die Bilder von der Blockade übernahmen zahlreiche große Medien. Im Netz wird nun behauptet, es handele sich dabei um Fake News. Denn, so die Begründung, die Autobahn sei nie in Benutzung gewesen, daher könne sie jetzt auch nicht wieder eröffnet werden. Außerdem sei ein Zaun schon seit Monaten auf der Straße. Dies sei auf Google Bildern zu sehen.
Tatsächlich findet sich ein Bild auf Google, das aus dem Jahr 2017 stammt und auf dem bereits der Zaun zu sehen ist - ohne Container und Anhänger dahinter. Diese Sperren wurden nun auf der venezolanischen Seite dieses Zauns aufgestellt; sie müssten also auch von dort angeliefert worden sein. Nach Informationen des Studios Mexiko sind zudem etwa 80 Sicherheitskräfte Venezuelas an der Grenze stationiert. Ein Zugang zu der blockierten Stelle sei für unabhängige Journalisten nur von kolumbianischer Seite möglich, berichtet ARD-Korrespondentin Anne-Katrin Mellmann.
Blick auf die Blockade von Venezuela aus
Richtig ist allerdings, dass die Brücke nie für den Verkehr zur Verfügung stand. Das binationale Projekt wurde zwar Anfang 2016 abgeschlossen, wegen der Spannungen zwischen Kolumbien und Venezuela aber nicht offiziell eingeweiht - wie der gesamte Grenzverkehr stark eingeschränkt wurde. Die Brücke kann also nicht "wiedereröffnet" werden, wie es beispielsweise die BBC formuliert hatte.
Andere Grenzübergänge
Außerdem könnten die Hilfsgüter theoretisch über andere Grenzübergänge ins Land gebracht werden, sagt ARD-Korrespondentin Mellmann. Die Tienditas-Brücke sei aber besonders gut geeignet, da sie neu sei und nicht so eng wie andere Übergänge. Es sei zudem unstrittig, dass Venezuela die Hilfslieferung nicht ins Land lassen wolle, so Mellmann.
Staatschef Nicolás Maduro hatte selbst angekündigt, die Hilfsgüter nicht nach Venezuela zu lassen. Man werde "diese Show der falschen humanitären Hilfe nicht zulassen, denn wir sind keine Bettler", sagte er. "Das ist keine Hilfe, das ist eine Demütigung des Volkes. Von außen sieht das Paket sehr schön aus, aber im Inneren ist Gift." Maduro sagte, Washington habe die humanitäre Krise in seinem Land "erfunden", um eine "Intervention" zu rechtfertigen.
Militär unter Druck
Die Bilder von der Blockade der Brücke dürften Oppositionsführer Juan Guaidó und seinen Unterstützern gelegen kommen. Denn das Militär in Venezuela steckt angesichts der Not der Bevölkerung und des internationalen Drucks in einem Dilemma. Stoppen sie weiterhin die Hilfslieferungen, könnten sie an Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Lassen sie die Güter aber passieren, käme das einer Meuterei gegen die Regierung Maduro gleich.
Guaidó appellierte daher an das Militär, die Hilfslieferungen über die Grenze zu lassen. Angesichts des "riesigen Bedarfs" sei es "geradezu erbärmlich", dies abzulehnen. "Die Einfuhr dieser Hilfe zu blockieren, könnte als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden", drohte er.
Staatschef Maduro besuchte hingegen am Sonntag demonstrativ eine Basis der Streitkräfte und veröffentlichte diverse Fotos und Videos auf Twitter. "Wir verteidigen hier das Recht auf Frieden der heutigen und zukünftigen Generationen", sagte er. Gleichzeitig lobte er die Loyalität der Streitkräfte.
Mehrere ranghohe Militärs sagten aber inzwischen der Opposition ihre Unterstützung zu. 90 Prozent der Streitkräfte seien unzufrieden, erklärte der Oberst und Militärarzt Rubén Paz Jiménez, der sich auf die Seite der Opposition stellte.
Umstrittene Anerkennung
Umstritten bleibt auch die Anerkennung des selbst ernannten Übergangspräsidenten Guaidó durch zahlreiche Staaten, darunter Deutschland. Dieser Schritt könnte nach Einschätzung von Wissenschaftlern des Bundestags eine Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes sein.
Es gebe "starke Gründe" für diese Annahme, heißt es in einem Gutachten, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. "Somit bleibt die Frage, ob die Einmischung in innere Angelegenheiten im vorliegenden Fall als unzulässige Intervention zu qualifizieren ist, durchaus berechtigt." Ob die "tatsächlichen Voraussetzungen" für eine vorzeitige Anerkennung vorlägen, könne durch das Gutachten "mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zweifelsfrei festgestellt werden", räumten die Wissenschaftler des Bundestags ein.