Plakat einer Fidesz-Kampagne, das Soros und Juncker zeigt
Hintergrund

Kampagne in Ungarn Soros-Verschwörung als Staatsräson

Stand: 20.02.2019 13:45 Uhr

Drei Monate vor der Europawahl hat Ungarn eine Kampagne gegen angebliche EU-Geheimpläne vorgestellt. Die Orban-Regierung setzt dabei auf Verschwörungstheorien, zentrales Feindbild ist der Milliardär Soros.

Von Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat einen Großteil der Medien auf Regierungskurs gebracht und muss kaum noch innenpolitische Gegner fürchten. Zu seiner Regierungspolitik gehört es, klare Feindbilder zu zeichnen und dabei auch gezielte Falschmeldungen sowie Gerüchte zu verbreiten. Ein Name fehlt dabei fast nie: Der Milliardär George Soros gilt in Ungarn und bei Europas Rechtsaußen als eine Art Antichrist.

Soros zählt zu den reichsten Menschen weltweit. Der US-Investor ungarischer Herkunft ist extrem wohlhabend und einflussreich: In den vergangenen Jahrzehnten spendete er große Teile seines Privatvermögens an Organisationen und Personen, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzen sollen. Soros wurde stark von Karl Popper geprägt.

Es ist kein Zufall, dass sich seine "Open Society Foundation" namentlich und inhaltlich an eines der wichtigsten Werke des Philosophen anlehnt: "The open society". Die "Open Society Foundations" sind in verschiedenen Staaten aktiv, finanzieren NGOs und wollen nach eigener Darstellung eine lebendige Zivilgesellschaft fördern. In Deutschland verfügt die Stiftung nach eigenen Angaben über ein Budget von einer Million Euro und förderte 45 Organisationen.

Falsche Zitate und Behauptungen

Über kaum einen Menschen lassen sich so viele Behauptungen und Gerüchte finden wie über Soros - weltweit. Folgt man Beiträgen in entsprechenden Videos, Blog-Beiträgen und Kommentaren, muss man annehmen, Soros sei allmächtig und omnipotent. Er soll verschiedene Revolutionen geplant und finanziert haben, die Regierungen zahlreicher Staaten lenken und eine neue Weltordnung ("New World Order") entworfen haben und diese nun realisieren - mit Hilfe von korrupten Politikern.

US-Rechte verbreiten zahlreiche falsche Zitate, behaupten, Soros habe sein Geld nicht mit Finanzspekulationen, sondern mit Drogen verdient. Anfang Februar behauptete die Seite "BeforeItsNews", Soros sei in der Schweiz verhaftet worden wegen satanischer Rituale mit Kindern. Faktenchecker wie Snopes widerlegten bereits zahlreiche Falschmeldungen über Soros.

Orban an der Spitze der Soros-Gegner

Die Angriffe auf Soros kommen von verschiedenen Seiten: Von Postkommunisten und Autoritären in Russland, Ultrakonservativen in den USA sowie europäischen Anhängern einer illiberalen Demokratie. In Deutschland taucht der Name Soros in Reden von AfD-Politikern auf und in vielen rechten Blogs, die von einem geheimen Plan zur "Umvolkung" oder "Bevölkerungsaustausch" raunen.

An der Spitze der Soros-Gegner steht Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Im Wahlkampf 2018 bezeichnete er Oppositionelle als "Soros-Söldner". Eine von einer Soros-Stiftung finanzierte Universität musste Ungarn mittlerweile verlassen. Im Juli 2018 sprach Orban von einem "Soros-Netzwerk", das für Einwanderung stehe:

In Europa läuft gerade ein Bevölkerungswechsel. Teilweise deswegen, damit Spekulanten, wie Soros selbst einer ist, viel Geld verdienen können. Sie möchten Europa zerstören, weil sie sie sich davon große Profite erhoffen. Anderseits haben sie auch ideologische Motive. Sie glauben an ein multikulturelles Europa, sie mögen das christliche Europa nicht, sie mögen die christlichen Traditionen Europas nicht, und sie mögen Christen nicht.

"Geheimpläne für Zeit nach der Wahl"

Bei seiner traditionellen Rede zum Neujahrsbeginn sagte Orban, die ungarische Opposition sei "eine Ansammlung von Pro-Einwanderungspolitikern", die am "Beatmungsgerät" von Soros und "EU-Bürokraten hängen". Dazu behauptete der Ministerpräsident, in Brüssel gebe es bereits einen fertigen Arbeitsplan, "um nach der EU-Wahl aus ganz Europa einen Einwanderungskontinent zu machen".

Belege gibt es dafür keine. Auch bei Gerüchten über den UN-Migrationspakt tauchte immer wieder der Name Soros auf, der angeblich einen Geheimplan realisieren wolle. Solche Verschwörungstheorien werden mit vielen kleinen Falschmeldungen unterfüttert. Beispielsweise kursiert in höchsten politischen Kreisen Ungarns die widerlegte Annahme, Soros finanziere Kreditkarten für Flüchtlinge auf dem Balkan. ARD-Korrespondent Srdjan Govedarica sagt, solche Theorien seien in Ungarn quasi Staatsräson.

Plakate auf den Straßen

Nun stellte die Orban-Regierung ihre neueste Kampagne vor, die unmittelbar an solche Verschwörungslegenden anknüpft. Ungarn wirft EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Soros dabei vor, illegale Einwanderung zu fördern. Die mit Steuergeldern finanzierte Kampagne soll Budapest zufolge auch großflächige Plakate mit Bildern Soros' und Junckers zeigen - mit dem Schriftzug: "Auch Sie haben ein Recht zu erfahren, was Brüssel vorbereitet".

Die EU reagierte mit scharfer Kritik. EU-Kommissionssprecher Margaritis Schinas kritisierte die Kampagne als "Fake News" und nannte sie "unfassbar". "Es ist schockierend, dass eine solch lächerliche Verschwörungstheorie sich in diesem Maße etabliert hat."

Plakat der ungarischen Kampagne gegen Soros und Juncker in Budapest

"Sie haben das Recht zu erfahren, was Brüssel plant": Plakat der ungarischen Kampagne gegen Soros und Juncker in Budapest

"Finale Schlacht um Europa"

Ungarn behauptete zwar, die Kampagne habe nichts mit den anstehenden Europawahlen zu tun. Allerdings hatte Orban erst vergangene Woche die anstehende Abstimmung als "finale Schlacht" um Europa bezeichnet. Mit Blick auf die EU sagte er, die "neue Hochburg der Internationalen heißt Brüssel und ihr Mittel ist die Einwanderung".

Dem Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten, Frans Timmermans, warf Orban vor, die "Liste der Pro-Einwanderung-Parteien" anzuführen und der Kandidat von Soros zu sein.