CDU-Kandidat Maaßen Zweifeln ohne Belege
Bei einem Video aus Chemnitz mutmaßte Hans-Georg Maaßen über eine gezielte Falschmeldung - ohne Belege. Auch in anderen Fällen verbreitete der ehemalige Verfassungsschutzchef zweifelhafte Äußerungen.
Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
Nach seiner "vorsichtigen Bewertung" gebe es "gute Gründe" dafür, dass es sich um eine "gezielte Falschinformation" handele, mit der von dem Mord in Chemnitz abgelenkt werden solle. Mit dieser Aussage in der "Bild"-Zeitung sorgte der damalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, im September 2018 für Aufsehen.
Belege für seine Vermutung, dass es sich bei dem Video um eine gezielte Falschmeldung handeln könnte, legte er nicht vor. Vielmehr breitete Maaßen immer neue Vorwürfe gegen Medien aus, die angeblich vorschnell Videos aus sozialen Medien veröffentlichen würden.
Der Vorgang sorgte für enorme Irritationen, denn die Krawalle von Chemnitz waren zuvor tatsächlich durch gezielte Falschmeldungen angeheizt worden. Falschmeldungen, die die Wut über die Tötung eines 35-Jährigen weiter anfachen sollten. Chat-Protokolle zeigten zudem: Rechtsextreme hatten sich offenkundig bei den Attacken in Chemnitz koordiniert.
Bei Amtsantritt schon umstritten
Maaßen war beim Verfassungsschutz als Direktor angetreten, damit es nach dem NSU-Skandal eine Art Neuanfang geben könnte. Doch schon bei seinem Antritt war er umstritten - unter anderem wegen seiner Rolle im Fall Kurnaz. Mit Anzeigen wegen Landesverrats stieß er 2015 Ermittlungen gegen das Medienprojekt Netzpolitik.org an, die ebenfalls auf breite Kritik stießen.
Nach seinen unbelegten Behauptungen zum Video in Chemnitz sah er "linksradikale Kräfte" in der SPD am Werk, die einen Koalitionsbruch erreichen wollten.
Zu der Veröffentlichung eines Videos in "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung", das zum Rücktritt des FPÖ-Politikers Heinz-Christian Strache und einer Regierungskrise in Österreich führte, kritisierte er deutsche Medien und schrieb in der "Bild"-Zeitung: "Für viele linke und linksextreme Aktivisten rechtfertigt der 'Kampf gegen rechts' jedes Mittel." Auch bei der tagesschau geht Maaßen nach Aussage in einem Tweet von einer versuchten Beeinflussung im "linksextremistischen Sinne" aus. Konkrete Beispiele für solche Versuche nannte er nicht.
"Westfernsehen"
Ebenfalls auf Twitter teilte Maaßen einen Beitrag der "Neuen Zürcher Zeitung" und kommentierte diesen mit dem Satz, die Schweizer Zeitung sei für ihn so etwas wie "Westfernsehen". Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz entgegnete: "Ein früherer Präsident des Verfassungsschutzes vergleicht die deutschen Medien mit der SED-Einheitspresse. Bisher brüllten nur die völkisch-nationalistische AfD und Pegida 'Lügenpresse'."
Während Maaßen also hart renommierte Medien angeht, teilte er fragwürdige Quellen, so beispielsweise das rechtsradikale Blog "Journalistenwatch". Dabei bezog sich Maaßen noch einmal auf den Begriff des "Westfernsehens".
Inhaltlich ging es um eine Reportage des ARD-Magazins Panorama, das über Seenotrettung berichtet hatte. Nach Kritik und einer Erklärung von Panorama über Falschbehauptungen über diese Reportage löschte Maaßen den Tweet wieder.
Im Februar 2020 teilte Maaßen auf Twitter einen Bericht des ungarischen Fernsehens und schrieb: Der Migrationsdruck an der ungarischen Grenze sei vergleichbar mit dem Sommer 2015. Er hoffe, dass die Bundeskanzlerin dem ungarischen "Präsidenten" Orban [Orban ist Ministerpräsident] für den Grenzschutz danken und ihm Unterstützung zusagen wird.
Anders als es Maaßen glauben machen möchte, kommt in dem Beitrag des ungarischen Staatsfernsehens die Behauptung allerdings gar nicht vor, der aktuelle "Migrationsdruck" an der ungarischen Grenze sei mit der Flüchtlingsbewegung im Sommer 2015 vergleichbar.
Auf Satire hereingefallen
Anfang 2021 löschte Maaßen einen Tweet, bei dem er offenkundig auf eine Fake News hereingefallen war. Die Seite "Mediamass" vermeldete, der Satiriker Jan Böhmermann sei auf dem ersten Platz der "People With Money"-Liste über die bestbezahlten Komiker 2021 gelandet - mit einem geschätzten Verdienst von 96 Millionen Dollar. Das Problem: Die Meldung war frei erfunden. Die Seite "Mediamass" versteht sich nach eigener Darstellung als satirisches Medium, das durch Humor und Übertreibungen nicht nur Produzenten, sondern auch Konsumenten aufs Korn nehmen will.
Maaßen griff die Meldung dennoch auf und schrieb dazu: "Wir brauchen diesen Öffentlich-rechtlichen Rundfunk" nicht. Böhmermann warf Maaßen daraufhin fehlende Medienkompetenz vor.