Aussage Lauterbachs Heroin als Streckmittel in Cannabis?
Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach hat für eine Legalisierung von Cannabis geworben, weil es im illegalen Straßenhandel immer öfter mit Heroin verunreinigt werde. Doch Experten wissen nichts von solchen Dealer-Tricks.
In die Debatte um die eine mögliche Legalisierung von Cannabis hat sich SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach mit einer Warnung eingebracht: In einem Interview der "Rheinischen Post" plädierte er für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene. "Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßen-Cannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben."
Heroin als Streckmittel, um Cannabiskonsumenten süchtig zu machen? Das klingt nach einer gefährlichen Entwicklung. Doch wer bei Ermittlungsbehörden nachfragt, wie groß denn dieses Problem sei, erhält einhellige Antworten, etwa vom Bundeskriminalamt: "Dem BKA liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass Cannabis in letzter Zeit mit Heroin verunreinigt wird."
Auch das Landeskriminalamt in Lauterbachs Heimatland Nordrhein-Westfalen winkt ab: "Bisher ist dem Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institut des LKA NRW kein Fall von mit Heroin versetztem Cannabis bekannt geworden." Ein Chemiker und forensischer Toxikologe im Dezernat Chemie des LKA von Rheinland-Pfalz stellt klar: "Im zeitlich engen Austausch mit Toxikologie-Kollegen aus Rechtsmedizin und anderen LKÄ aus dem ganzen Bundesgebiet wurden solche Fälle - die wirklich berichtenswert wären - nicht berichtet."
Übersieht die Polizei eine neue Entwicklung?
Nun bekommt die Polizei womöglich nicht jeden neuen Trend als erste mit, gerade wenn es um eine Droge wie Cannabis geht, die vor allem von jungen Leuten konsumiert wird. Mit dem Ohr nah dran an dieser Szene sieht sich die Stuttgarter Drogenberatungsstelle Release. Sie setzt sich schon länger für das sogenannte Drug-Checking ein.
Was in Deutschland verboten ist, gibt es beispielsweise in der Schweiz und in Österreich längst: Kleine Proben von Drogen werden aus dem Besitz von Konsumenten auf ihre Reinheit überprüft, ohne dass die Ermittlungsbehörden eingeschaltet werden müssen. Denn es sei eine gefährliche Realität, dass illegale Drogen wie Amphetamin, Ecstasy, Kokain oder Heroin im Straßenverkauf durch absichtliche Beimengungen von anderen Substanzen "gestreckt" würden, um einen höheren Gewinn zu erzielen, weiß Vereinsvorstand Bernd Klenk.
Ein Drogenmythos
Bei den Streckmitteln für Cannabis gehe es allerdings um gewichterhöhende Mittel wie Blei, Sand, Zucker oder schlimmstenfalls Glassplitter. Heroin gehöre nicht dazu, stellt Klenk auf SWR-Anfrage klar: "Die Geschichte, dass Dealer diese 'Verkaufsstrategie' wählen, um neue Kunden zu gewinnen, gehört nach unserer Sicht in den Bereich der Drogenmythen und taucht immer wieder auf." Cannabis mit dem ganz anders wirkenden Opiat Heroin zu strecken, um Konsumenten letztlich in die Heroinsucht zu ziehen, passe nicht zum Sozialverhalten junger Cannabiskonsumenten, meint Klenk: "Der Einstieg in den Cannabiskonsum findet in der Regel in der Peergroup, das heißt in der Gruppe der Gleichaltrigen statt und nicht durch den Erwerb der Substanz bei unbekannten Personen."
Wenn auch Drug-Checking in Deutschland noch verboten ist, gibt es doch schon länger Webseiten, die eine ähnliche Funktion übernehmen, indem dort Drogenkonsumenten Laborergebnisse ihrer Proben veröffentlichen. Die Webseite Dirty-Weed.com etwa führt 24 Stoffe auf, die demnach schon in Cannabis aus dem Straßenverkauf gefunden wurde, von Blei und Dünger über Henna und Holzspänen bis hin zu Stärke und Zucker - doch auch hier wird Heroin nicht genannt.
Sowohl die Drogenberatungsstelle Release als auch Polizeiermittler weisen allerdings auf eine andere Entwicklung in Zusammenhang mit Cannabis-Streckmitteln hin. So berichtet der forensische Toxikologe des LKA Rheinland-Pfalz, es sei tatsächlich Cannabis auf dem Markt, welches mit potentiell gefährlichen synthetischen Wirkstoffen versetzt sei - sogenannten Neuen Psychoaktiven Stoffen, NPS. "Hierbei handelt es sich oft um sogenannten CBD-Hanf, dessen Blüten einen hohen CBD-Gehalt bei sehr niedrigem THC-Gehalt aufweisen und der an sich nicht zur Berauschung geeignet ist. Diese Blüten werden mit synthetischen Cannabinoiden versetzt."
US-Behörde: Kein Heroin im Cannabis
Hat der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in dem Zeitungsinterview womöglich synthetisches Cannabis mit Heroin verwechselt? Eine Stellungnahme gegenüber dem SWR lehnt sein Büro ab mit dem Hinweis auf Lauterbachs "zahlreiche Statements in dieser Sache". Tatsächlich hatte er im Interview mit "zeit.de" präzisiert, in den USA werde "Heroin auf Joints aufgesprüht" und sich dabei auf Ermittlerkreise berufen.
Die USA beklagen eine verheerende Welle an Opiat-Abhängigkeit mit bis zu 90.000 Todesopfern im Jahr. Die Sucht beginnt dort oft mit legalen Beruhigungsmitteln, die Morphium enthalten und führt dann zu dem billigen Heroin-Ersatz Fentanyl. Doch das "National Institute on Drug Abuse" (NIDA) erwähnt in seinen Veröffentlichungen keinen einzigen Fall, in dem Cannabis mit Heroin oder synthetischen Opiaten gestreckt worden sei.
So wurde Lauterbachs Aussage auch in den sozialen Medien schnell hinterfragt. Eine Kommentatorin schrieb: "Genau das ist das Problem bei unseren Politiker:innen: Heroin mit NPS verwechseln…Wow, beendet die Clownshow und informiert euch ordentlich" Wobei ein anderer User antwortet: "Treffend formuliert, allerdings ist es dennoch ein Fortschritt, wenn sich ein führender SPD-Politiker positiv für neue Wege ausspricht." Der Gründer und Betreiber des Deutschen Hanfverbandes, Georg Wurth, setzt sich mit seiner Lobbyorganisation schon seit Jahren für eine Legalisierung von Cannabis ein. Gegenüber dem SWR kommentiert Wurth die Aussagen des SPD-Politikers: "Lauterbach trifft voll ins Schwarze, auch ohne 'Heroin im Gras'".