Gerüchte über Vorfälle an Schulen Polizei warnt vor Panikmache
In Berlin hat die Polizei eindringlich vor Gerüchten in sozialen Medien gewarnt. Anlass sind vermeintliche Vorfälle an Schulen. In NRW veröffentlichten Eltern sogar das Bild eines angeblichen "Kinderschänders".
In den vergangenen Wochen hat es mehrere Berichte über Vorfälle rund um Schulen in Berlin gegeben: Von falschen Polizisten oder als Frauen verkleidete Männer, die Schülerinnen auflauern, war unter anderem die Rede. Polizeisprecherin Kerstin Ziesmer und ihre Kollegen müssen sich einem Bericht des rbb zufolge täglich mit einer Flut von Anrufen verunsicherter Eltern auseinandersetzen. Grund sind über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder bei Facebook geteilte Gerüchte von angeblichen Vorfällen an Schulen.
Ausgangspunkt war ein bei der Polizei gemeldeter Vorfall an einem Gymnasium in Reinickendorf Anfang Januar: Eine Schülerin berichtete, dass ein Unbekannter versucht habe, sie zu küssen. Es wurde Strafanzeige gestellt, der Mann konnte ermittelt werden. Der Fall werde noch untersucht, sagte Ziesmer im Gespräch mit dem rbb. "Wir verstehen, wenn Eltern dadurch verunsichert werden. Wir sind jedoch davon ausgegangen, dass sich diese Verunsicherung wieder legt."
Doch das Gegenteil ist der Fall: Bis heute verbreiten sich zahlreiche Gerüchte von mutmaßlichen Straftaten. Auch weil mehrere Schulen in Reinickendorf vorsorglich Warnhinweise an die Eltern verschickten. Diese wurden laut rbb zum Teil mit falschen Informationen angereichert im Internet geteilt und erreichten auch andere Bezirke.
Polizei warnt vor Gerüchten
Nun appelliert die Polizei eindringlich an Eltern, sich trotz aller verständlichen Sorgen verantwortungsvoll zu verhalten und keine Gerüchte weiterzuverbreiten. Die Polizei betont, jeder einzelne Hinweis werde polizeilich geprüft. Die zuletzt gemeldeten Fälle hätten sich aber alle "als Folge der allgemeinen Verunsicherung" herausgestellt.
Die Polizei rät, Kinder zu sensibilisieren, aber nicht zu verängstigen. "Wovon wir dringend abraten", so die Polizei weiter, "ist das ungeprüfte Teilen und Weiterleiten vermeintlicher Warnungen und Gerüchte auf Social Media Kanälen oder über Messenger". Solche Gerüchte könnten "oft eher zu einer unbegründeten Verunsicherung" beitragen.
Angebliche Entführung
Gerüchte über Vorfällen an Schulen, auf Spielplätzen oder in Schwimmbädern verbreiten sich immer wieder. Im Juni 2018 kursierte beispielsweise eine WhatsApp-Sprachnachricht, in der behauptet wurde, syrische Frauen wollten in einem Berliner Schwimmbad Kinder entführen.
Die Zeitung "B.Z." berichtete, die Polizei sei tatsächlich in ein Schwimmbad gerufen worden. Der Grund: Eine Frau hatte Streit mit zwei Mädchen, weil die ihre Tochter an die Hand genommen hätten. Auch andere Besucher mischten sich ein. Nur: Von einer versuchten Entführung war nie die Rede. Ob Syrerinnen beteiligt waren, ist unbekannt. Auch von einer "neuen Masche" wisse die Polizei nichts. Eine Anzeige gab es nicht.
Polizei: Keine Fotos verbreiten
In NRW sorgte ein Fall vor wenigen Tagen für Aufsehen. Dort hatten Eltern einen Flüchtling fotografiert und im Internet als angeblichen "Kinderschänder" beschuldigt. Nach Auskunft eines Polizeisprechers wurden tatsächlich Grundschüler von dem Mann angesprochen, der erst seit kurzer Zeit in Deutschland ist und kein Deutsch spricht. Er soll auf der Straße zuerst erfolglos Erwachsene und später dann auch die Kinder kontaktiert haben. Hintergrund sei gewesen, so die Polizei weiter, dass der Mann noch nie in seinem Leben Schnee gesehen habe. Deshalb habe er jemanden bitten wollen, ein Foto von ihm neben dem Schnee zu machen.
Die Polizei mahnt, auf keinen Fall einfach Fotos von Personen mit Beschuldigungen im Internet oder per WhatsApp zu verbreiten. Richtig sei es, wenn besorgte Eltern unverzüglich die Polizei verständigen.
Weiterleitung beschränkt
Im Vorgehen gegen die Verbreitung von Falschnachrichten schränkte WhatsApp die Weiterleitungsfunktion ein. Mit den neuesten WhatsApp-Versionen könne eine Nachricht fortan nur noch an fünf Empfänger weitergeschickt werden. Bislang konnte eine Nachricht bis zu 20 Mal an einzelne Personen oder auch Gruppen weitergeleitet werden.
Lynchmorde nach Fake News
Indien war Vorreiter für die Einschränkung. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Delhi von der Firma WhatsApp und der Muttergesellschaft Facebook wirkungsvolle Maßnahmen verlangt, um die unkontrollierte Verbreitung von Falschinformationen zu unterbinden.
Vorausgegangen war eine Welle von Gewalt, weil sich manipulierte und gefälschte Videos über WhatsApp-Gruppen verbreitet hatten. Unbescholtene Männer und Frauen wurden von aufgebrachten Menschenmengen brutal zusammengeschlagen, weil sie für Kindesentführer gehalten wurden. Einige Menschen wurden sogar zu Tode geprügelt.
In Deutschland sind bereits "Bürgerwehren" gegründet worden, weil Gerüchte über angebliche Sexualstraftaten verbreitet wurden - so beispielsweise in Rostock. Die Polizei beklagt seit Längerem, dass Fake News ihre Arbeit erschwere.