Impfstoffverteilung in der EU Kein "Impfbasar"
Von einem "Impfbasar" in der EU hat Österreichs Kanzler Kurz gesprochen. Die Impfstoffe gegen Covid-19 würden ungleich verteilt. Problem ist jedoch, dass nicht alle EU-Staaten ihre Kontingente abrufen.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz fordert eine Änderung der Impfstoffverteilung in der EU. Die bestehende Regelung sei ungerecht. Die Auslieferung der Dosen sei nicht wie vereinbart gleichzeitig und nach Bevölkerungsanteil an alle EU-Staaten erfolgt, sondern nach Bestellmenge, sagte Kurz der Zeitung "Die Welt" vor dem virtuellen EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag.
Zuvor schon hatte Kurz von Hinweisen auf einen "Impfbasar" gesprochen. Durch Zusatzvereinbarungen zwischen EU-Mitgliedsstaaten und Pharmafirmen würden einige Länder benachteiligt. Kurz argumentierte, es könne nicht im Interesse der EU sein, dass sich die Kluft innerhalb der Union immer mehr vergrößere und so EU-Staaten zweiter Klasse geschaffen würden.
Neben Österreichs Bundeskanzler beklagen weitere Länder eine Benachteiligung bei der aktuellen Vergabepraxis. Das derzeitige Bestellsystem würde "bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen", schrieben die Regierungschefs von Österreich, Bulgarien, Lettland, Slowenien und Tschechien an EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Kroatien schloss sich dem Vorstoß an.
Parteikollege widerspricht Kurz
Eine Zurückweisung dieser Vorwürfe kam von einem Politiker, der wie Kurz der österreichischen Partei ÖVP angehört: EU-Kommissar Johannes Hahn erklärte, es gebe keinen "Impfbasar" in der EU. Dass manche EU-Länder mehr als die ihnen nach der Bevölkerungszahl zustehende Quote an Corona-Impfstoffen erhalten hätten, sei "nicht auf einen Willkürakt Brüssels zurückzuführen". Die unterschiedliche Verteilung der Impfstoffe ergebe sich vielmehr aus der Tatsache, dass manche Länder wie Malta oder Dänemark ihr Kontingent voll ausgenutzt hätten, das ihnen nach dem Bevölkerungsanteil zusteht.
Andere Länder haben dies nicht getan. Dazu zählen Staaten mit begrenzten finanziellen Ressourcen wie Bulgarien, Kroatien, Slowenien und die Tschechische Republik. Sie bestellten von den teureren Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna wenig oder nichts.
Kurz hatte unter anderem den Niederlanden vorgeworfen, pro Kopf gesehen wesentlich mehr Zugang zu Impfstoff zu haben als Bulgarien und Kroatien. Das niederländische Gesundheitsministerium erklärte der Nachrichtenagentur dpa dazu: "Wir halten uns an die Absprachen." Die Niederlande nutzten den Spielraum aber "maximal" aus und übernähmen ein Kontingent, wenn ein anderes Land darauf verzichte.
Im Namen Deutschlands verwies Europa-Staatssekretär Michael Roth darauf, dass einige Staaten wie Österreich die ihnen nach der Bevölkerungsgröße zustehenden Kontingente nicht ausgeschöpft hätten und diese Mengen anderen EU-Ländern angeboten worden seien. Es gebe keine Veranlassung, das Verteilungsverfahren zu ändern.
Fehlende Lieferungen von AstraZeneca
EU-Kommissar Hahn erklärte darüber hinaus, "dass Länder, die vorwiegend auf den wesentlich billigeren Impfstoff AstraZeneca gesetzt haben, nun von den Lieferschwierigkeiten des Herstellers betroffen sind". Dazu zählt Österreich. Ende vergangener Woche hatte der Konzern angekündigt, statt 220 Millionen nur 100 Millionen Dosen bis zur Jahresmitte an die EU-Staaten liefern zu können. Einige Länder wie Italien setzten zudem die Impfung mit AstraZeneca nach Berichten über eine Häufung von Thrombosen nach der Gabe des Impfstoffs aus.
"Maximale Anstrengungen"
EU-Kommissionsvize Frans Timmermans räumte allerdings Versäumnisse ein. "Es stimmt, dass bei der Bestellung der Impfstoffe sowohl in Brüssel als auch in den Mitgliedstaaten Fehler gemacht wurden», sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Ein europäisches Vorgehen sei "auch im Interesse der reicheren Staaten" wie Deutschland. Jetzt gehe es erstmal darum, "dass ganz Europa Impfstoff bekommt".
Hahn versprach "maximale Anstrengungen" der EU-Kommission, den am stärksten betroffenen Corona-Hotspots in Europa zu helfen und ergänzte mit Blick auf Österreich: "so wie wir es auch kürzlich im Falle von Tirol mit den zur Verfügung gestellten 100.000 Impfdosen von Biontech gemacht haben."
Die EU-Kommission hat von den vier in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffen insgesamt mindestens 1,4 Milliarden Dosen für die rund 450 Millionen EU-Bürger geordert.