Europawahl 2024
Malta im Wahlkampf Aufgeheiztes Klima
Die Stimmung in Malta ist aufgeheizt: Kurz vor der EU-Wahl steht der Ex-Premier der Regierungspartei wegen Korruption vor Gericht. Der Fall überschattet den Wahlkampf - und wird zum Futter für Populisten.
Beim Auftakt zum Europawahlkampf der regierenden Partit Laburista ist die Stimmung enthusiastisch im Saal. Mit großem Stolz blickt der maltesische Premier Robert Abela auf die vergangenen Jahre zurück.
2019, sagt Abela, dachten "sie", sie könnten seine Partei daran hindern, weiter für das Land zu arbeiten. Aber "sie" hätten es nicht geschafft. Abela bezieht sich auf 2019: Damals war seine Partei in den Mord an der investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia verstrickt - so der Verdacht. Der damalige Premier Joseph Muscat musste zurücktreten, sein Nachfolger wurde Abela.
Wenn der Premier nun von "sie" spricht, dann meint er das sogenannte Establishment. Immer wieder spricht er im Europawahlkampf davon. Das Establishment agiere im Verborgenen, es habe die Partei zerschlagen wollen. Doch seine Parteifreunde und er seien geeint geblieben und hätten verantwortungsvoll gehandelt.
Bestechung, Geldwäsche, Amtsmissbrauch
Seit mehr als elf Jahren regiert Abelas Partei in Malta, trotz vieler Korruptionsskandale. Zu den kriminellen Netzwerken hatte auch Galizia recherchiert. Es geht um Bestechung, um Geldwäsche, um Betrug, um Amtsmissbrauch. In einem Fall hat die Staatsanwaltschaft Valletta mehr als vier Jahre ermittelt, nun liegen die Anklagen vor.
Die Vorwürfe hätten eine neue Qualität, so Andrew Drago von der Vereinigung der maltesischen Jurastudenten. Denn jetzt gehe es um ein Strafverfahren, in dem herausgefunden werden müsse, ob Regierungsmitglieder strafrechtlich verantwortlich sind.
Im Fokus ist die Teilprivatisierung von drei staatlichen Kliniken, von Anfang an war der Deal umstritten. Während der Staat und damit die Bürger dabei benachteiligt worden seien, hätten sich die Angeklagten bereichert: Mehr als 20 sind es, vor allem Manager von Unternehmen und hochrangige Politiker der Labour-Partei.
Ex-Regierungschef Muscat ist angeklagt, ebenso der amtierende Zentralbankchef Edward Scicluna. Muscat soll schon heute vor Gericht erscheinen. Der stellvertretende Premierminister Chris Fearne ist zurückgetreten, seine Kandidatur als EU-Kommissar hat er zurückgezogen.
Populistische Angriffe der Regierung
Nach der Veröffentlichung der Untersuchung greift Premier Abela auf einer Pressekonferenz einen Journalisten an, der ihn fragt, ob es Neuwahlen geben werde. Abela unterstellt dem Journalisten, Teil "des Establishments" zu sein - genauso wie andere Medienvertreter.
Dies sei gefährlich, meint Matthew Xuereb vom Institut der maltesischen Journalisten. Deshalb hätten sie in einer Erklärung den Ton des Premiers verurteilt, in dem er andeutete, dass Journalisten Feinde des Staates und des Volkes seien. Dies sei für eine Demokratie vollkommen inakzeptabel - vor allem so kurz vor den Europawahlen, wo ein ernster Fall wie dieser politische Auswirkungen haben könne, meint Xuereb.
Premier unterstellt Kampagne der Justiz
Abela hat auch die Justiz im Visier. Zum Auftakt des EU-Wahlkampfs betont er, dass sie nicht für politische Ziele missbraucht werden dürfe. Gerechtigkeit sei nicht gleichbedeutend mit politischem Terrorismus. Ehrliche Gerechtigkeit und politische Rache, so der Regierungschef, könnten nicht nebeneinander bestehen.
Die Staatsanwältin, so behauptet Abela, habe die Untersuchungen zum Krankenhausdeal bewusst hinausgezögert, damit die Ergebnisse mit den Europawahlen zusammenfallen. Diese Behauptung sei eine Farce und äußerst gefährlich, so Andrew Drago von der Vereinigung der Jurastudenten.
Denn die Atmosphäre sei jetzt ähnlich wie vor der Ermordung der Journalistin Galizia. "Ich glaube, Malta hat nichts aus dem tragischen Mord an Daphne Caruana Galizia gelernt." Dies sei ein fruchtbarer Boden für Korruption und für das Verbot für Journalisten, wirklich investigativen Journalismus zu betreiben, meint Drago.
Indem Regierungschef Abela Justiz und Presse eine Kampagne unterstellt, verteidigt er seine Parteifreunde. Und heizt damit das Klima in seiner Heimat auf, kurz vor den Europawahlen.