EU-Flüchtlingsgipfel mit der Türkei Der vertagte Durchbruch
Mehr als zwölf Stunden haben die Staats- und Regierungschefs der EU mit der Türkei über deren Vorschläge zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen diskutiert. Obwohl viel von Durchbruch die Rede war, kam es zu keiner Einigung. Eine Entscheidung soll nun am 17. März fallen.
Der Flüchtlings-Krisen-Gipfel ging zwar in die Verlängerung, aber eine endgültige Entscheidung zu einem neuen EU-Abkommen mit der Türkei fiel auch hier noch nicht. Zu frisch war dafür noch das überraschende Angebot des türkischen Regierungschefs Ahmet Davutoglu über ein erneutes Tauschgeschäft mit der EU, als dass die Europäer dem ohne weitere Bedenkzeit hätten zustimmen können.
"Dieser türkische Vorschlag ist ein Durchbruch - wenn er realisiert wird." So drückte es Bundeskanzlerin Angela Merkel aus. Sie war nicht die einzige, die das Wort "Durchbruch" bemühte, doch der ist vorerst vertagt. Auf dem nächsten EU-Gipfel in zehn Tagen soll der Deal nun verabschiedet werden. Das angestrebte Abkommen sieht vor, dass die Türken ihre Stellung als "Türsteher" an der Schwelle zu Europa, der weniger Flüchtlinge durchlässt, noch ernster nehmen als bislang vorgesehen.
Ankara ist bereit, sämtliche Flüchtlinge zurückzunehmen
Die Türkei habe die mutige Entscheidung getroffen, alle illegalen Migranten, die von der Türkei aus gestartet sind, zurückzunehmen, erläuterte Davutoglu. "Egal, wo sie herkommen." Ankara ist also bereit, nicht nur die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge, die illegal in Griechenland abgekommen sind, zurückzunehmen, sondern auch syrische Kriegsflüchtlinge.
Natürlich erwartet die Türkei dafür Gegenleistungen: zum Beispiel, dass sie dafür Syrer auf legalem Weg in die EU schicken kann: "Für jeden Syrer, den wir von den griechischen Inseln aus zurücknehmen, wird ein anderer Syrer von Europa aufgenommen", sagte Davutoglu.
Die Türkei wünscht sich außerdem als Teil des "Eine-Hand-wäscht-die-andere"-Deals mehr Geld von der EU. Sie will die Beitrittsgespräche beschleunigen. Und: Sie will schneller als bislang geplant, nämlich bereits bis Ende Juni, ihren Herzenswunsch erfüllt sehen, dass türkische Staatsbürger ohne Visa in die EU einreisen dürfen.
Vom türkischen Vorstoß überrumpelt
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bestätigte, die Regierungschefs "haben entschieden den Prozess der Visa-Liberalisierung zu beschleunigen."
Die Abgesandten einiger EU-Staaten ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass sie sich von dem brandneuen Vorstoß der Türkei überrumpelt fühlten. Ihr Unmut richtete sich dabei auch gegen die deutsche Kanzlerin, die sich in Vorverhandlungen mit dem türkischen Regierungschef abgestimmt hatte.
Augen zu beim Thema Menschenrechte?
Gleichzeitig versuchten fast sämtliche EU-Spitzenvertreter dem Vorwurf entgegen zu treten, sie könnten künftig ein Auge - oder gar beide - zudrücken, wenn ihr neuer Partner in der Flüchtlingskrise Menschenrechte verletze. Nur wenige Tage vor Beginn des Gipfels war die türkische Regierung erneut gegen unliebsame Journalisten vorgegangen und hatte den Chefredakteur einer kritischen Zeitung gefeuert. "Wir haben mit dem türkischen Ministerpräsidenten über diese Schließung der Zeitung gesprochen", sagte Merkel. "Wie haben alle deutlich gemacht, wie wichtig die Pressefreiheit für uns ist."
Klar ist, dass die Türkei überhaupt nur deshalb zum Schlüsselland in der Flüchtlingskrise werden konnte, weil die EU-Staaten untereinander seit Monaten um den richtigen Umgang mit den Schutzsuchenden streiten. Jüngstes Beispiel: Ursprünglich sollte in der Abschlusserklärung ein Satz auftauchen, der die sogenannte Balkanroute für geschlossen erklärt hätte. Was Bundeskanzlerin Merkel überhaupt nicht passte. Der Satz wurde auch auf Druck aus Berlin umformuliert. Was nicht heißt, dass die Grenzen damit wieder geöffnet wären. Oder dass die Länder nun tatsächlich zu einer gemeinsamen Haltung in der Flüchtlingskrise gefunden hätte.