Verbrenner-Aus ab 2035 Wissing sorgt in Brüssel für Irritationen
Bei der EU in Brüssel scheint alles klar zu sein, was das Gesetz für ein Verbrenner-Aus ab 2035 angeht. Die in einer deutschen Boulevard-Zeitung geäußerte Drohung von Bundesverkehrsminister Wissing hat aber für Verwunderung gesorgt.
Politische Äußerungen, auch wenn sie von durchaus hochrangiger Stelle aus dem Regierungsapparat eines EU-Mitgliedsstaates kommen, werden in Brüssel zumindest nicht offiziell kommentiert - schon gar nicht von der Kommission. Man stellt stattdessen lieber klar, worum es eigentlich geht. Und so hat Kommissionssprecher Stefan de Keersmaecker das auch gemacht. Im Raum stand der Vorstoß von Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP, der sich via "Bild"-Zeitung für den Fortbestand des Verbrennungsmotors als Auto-Antrieb stark gemacht hatte - und zwar auch über das Jahr 2035 hinaus.
Dabei ist in der EU die Entscheidung eigentlich längst gefallen, dass von da an Schluss sein soll mit dieser Antriebsart in Europa, zumindest was Neuwagen angeht. Schließlich will die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden - und genau darum gehe es, sagte der Kommissionssprecher: "Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, dass der Umbau der Fahrzeugflotte in Europa zur Null CO2-Technik absolut notwendig ist, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Und unsere CO2-Standards sind ein entscheidendes Instrument dafür."
Für die Kommission also gibt es am beschlossenen Verbrenner-Aus keinen Zweifel. Tatsächlich hatten sich sowohl die Kommission selbst, als auch alle 27 Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament auf diesen Schritt verständigt. Und zwar bereits im Herbst vergangenen Jahres, in den sogenannten Trilog-Verhandlungen, die es in Brüssel immer gibt, wenn die EU neue Gesetze auf den Weg bringen will. Man war sich einig, auch Deutschland hatte keinen Widerstand signalisiert.
Kein Verständnis für Wissings Aussagen
Der SPD-Europaparlamentarier Timo Wölken hat deshalb kein Verständnis dafür, dass Bundesverkehrsminister Wissing jetzt - also viel später und erst kurz vor der finalen Abstimmung am 7. März - mit einem deutschen Nein für diese Entscheidung droht und für ein Ja auf den Einsatz von klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen besteht, damit Verbrenner eine Zukunft haben. Denn auch wenn die Zustimmung der Mitgliedsstaaten tatsächlich noch ausstehe: Nach erfolgreich abgeschlossenen Trilog-Verhandlungen sei die in der EU quasi ein Automatismus, sagt Wölken, das sei auch Volker Wissing bewusst.
"Er weiß natürlich, dass es bei der finalen Zustimmung eigentlich um eine reine Formsache geht, denn die inhaltlichen Verhandlungen haben ja in den vergangenen Monaten stattgefunden", erklärt Wölken. Weder im Rat noch im Parlament habe es eine Mehrheit für synthetische Kraftstoffe gegeben.
"Volker Wissings Veto-Drohung soll nur ablenken"
Für den CDU-Europaparlamentarier Jens Gieseke steht außer Frage, worum es Volker Wissing und der FDP tatsächlich gehe: Sie wollten offenbar nicht schuld sein am Verbot des Verbrennungsmotors. Die Union sei immer schon für synthetischen Kraftstoff gewesen, um damit Verbrennungsmotoren klimaneutral und zukunftsfähig zu machen. Die FDP habe das zwar auch gewollt, sich in der Ampelkoalition dafür aber nie wirklich stark gemacht.
"Volker Wissings Veto-Drohung soll nur davon ablenken, dass die FDP beim Verbrennerverbot von ihren Ampelpartnern über den Tisch gezogen wurde: Schon mit dem Ampel-Koalitionsvertrag hat die FDP das Verbrennerverbot nämlich de facto mit beschlossen", sagt er. Wenn man politische Positionen durchsetzen wolle, bringe man sich frühzeitig in die Gesetzgebung ein, nicht im Nachhinein. "Diese Äußerung des Bundesverkehrsministers ist eine Nebelkerze."
Setzt Wissing auf einen bestimmten Passus?
Auch für CDU und CSU im Europaparlament ist also klar: Das Ende für Verbrennungsmotoren in Neuwagen ist in der EU beschlossene Sache, daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Allerdings scheint der deutsche Verkehrsminister auf einen Passus im europäischen Gesetzestext zu setzen, nachdem die Kommission noch einmal prüfen soll, ob Verbrenner nicht doch noch eine Chance haben.
Diese Passage gibt es tatsächlich, sagt der SPD-Abgeordnete Wölken. Es gehe dabei zwar um Verbrennungsmotoren, "allerdings eben nicht für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, sondern für Spezialfahrzeuge wie Krankenwagen oder Feuerwehrfahrzeuge." Man müsse den Text deshalb schon genau lesen.
Auch die Kommission bestätigte heute in Brüssel noch einmal diesen Passus. Das bedeute aber keineswegs, so hieß es, dass es tatsächlich in solchen Neufahrzeugen auch ab 2035 noch Verbrenner geben dürfe. Vielmehr werde man das zu gegebener Zeit entscheiden und dann einen Vorschlag machen. Das liege allerdings ausschließlich in der Hand der Kommission selbst.
In Brüssel rechnet auch niemand wirklich damit, dass Deutschland das Aus für den Verbrennungsmotor jetzt noch stoppen will. Das würde auch wenig helfen. Denn ein Nein aus Berlin allein würde nicht reichen. Es bräuchte eine qualifizierte Mehrheit unter den 27 Mitgliedsstaaten - von mindestens 15 Ländern, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung umfassen.