EU-Visumspflicht für südosteuropäische Staaten soll fallen Freier Reiseverkehr für den halben Balkan
Ab dem kommenden Jahr will die EU auf das Einreise-Visum bei Bürgern aus Serbien, Mazedonien und Montenegro verzichten. Dies hat die EU-Kommission vorgeschlagen. Bei Albanien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo werden die Reisebestimmungen hingegen nicht gelockert.
Von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Reisen ohne Visum - das war bis zum Zerfall Jugoslawiens der Normalfall für die Menschen auf dem Balkan. Anfang der 90er-Jahre zerbrach der Vielvölkerstaat, es folgte ein Jahrzehnt der Kriegswirren, der Vertreibungen und Massenmorde. Mittlerweile herrscht wieder Frieden auf dem Balkan, die ethnischen Spannungen sind geblieben.
Was die Volksgruppen eint, ist ihr Wunsch, eines Tages zur Europäischen Union zu gehören. Und: Egal ob Serben, Bosnier oder Mazedonier, ohne Visum dürfen sie nicht in die EU einreisen. Für Serbien, Montenegro und Mazedonien soll diese Visumpflicht zum Jahreswechsel aufgehoben werden.
Rehn: Die Staaten selbst sind am Zug
So schlägt es EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn vor und kommt damit den Wünschen der Menschen in Südosteuropa nach: "Wir wollen, dass alle Bürger gleichermaßen von den Reiseerleichterungen profitieren", sagt der Finne. Das Tempo beim Abbau der Reisebeschränkungen hänge allein von Fortschritten bei Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung ab. Allein die Politiker in diesen Staaten seien dafür verantwortlich.
Auf diese Weise versuchte Rehn, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die stören sich daran, dass Brüssel einen Teil der Staaten bevorzugt - und zwar mit Serbien just das Land, dessen damalige Führung für Mord, Krieg und Vertreibung auf dem Balkan hauptverantwortlich zeichnete.
Kritik an Zwei-Klassen-Europa
Die EU-Kommission schaffe zwei Klassen von Bürgern in Südosteuropa, werfen die Unterzeichner eines Protestaufrufes dem Brüsseler Apparat vor. Sie fordern gleiches Recht für alle. Unterschrieben haben den Appell viele Grüne, aber auch Konservative wie der frühere Postminister und Balkanexperte Schwarz-Schilling und zahlreiche Wissenschaftler.
Es räche sich nun, meint der Grünen-Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, dass die EU die jugoslawischen Ex-Republiken nicht zu mehr Zusammenarbeit untereinander auch in Visa-Fragen gezwungen habe: "Am Ende kommen dann diese absurden Situationen das die Serben jetzt mehr kriegen als die Bosnier. Das heißt, das ist im Grunde eine Umkehrung Geschichte: Die Opfer werden bestraft und die Schuldigen kommen besser weg."
Und tatsächlich: In Bosnien-Herzegowina treten die Widersprüche in Europas Visapolitik besonders offensichtlich zu Tage. Während Serben und Kroaten, die in Bosnien leben, in Zukunft ohne Visum einreisen dürfen, müssen die Bosniaken weiter Schlange stehen, um ein Visum zu ergattern - und zwar mindestens bis Anfang 2011.