Ukraine-Krieg Luftalarm in mehreren Städten
Aus mehreren Städten in der Ukraine wird weiterhin Alarm gemeldet. In Kiew wurde am Morgen ein Wohnhaus durch Granatbeschuss schwer beschädigt. In Mariupol haben russische Truppen offenbar eine Klinik besetzt und 400 Geiseln genommen.
Den dritten Morgen in Folge scheinen die Wohnviertel in der ukrainischen Hauptstadt Kiew im Visier der Angriffe zu stehen. Am Morgen schlugen Granatsplitter einer Artilleriegranate im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew in ein Wohnhaus ein. Das meldet die Nachrichtenagentur AP. Bilder der Katastrophenschutzbehörde zeigen: Das oberste Stockwerk des zwölfstöckigen Gebäudes wurde zerstört, Flammen schlugen aus dem Haus. Die Feuerwehr versuchte Menschen aus den verschütteten Stockwerken zu retten. Ukrainische Medien sprachen von mindestens vier Raketen.
Das Nachbargebäude wurde ebenfalls beschädigt. Die Behörde meldete zwei Opfer, ohne Einzelheiten zu nennen. Die Stadtverwaltung warnte vor weiteren Angriffen auf Wohnbezirke. Die Menschen wurden aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. In der Stadt galt auch heute früh Luftalarm. Die Bewohner dürfen aktuell nicht ohne zwingende Gründe nach draußen.
"Endloser Beschuss"
Die russischen Streitkräfte hätten die Angriffe in den Vororten von Kiew verstärkt, sagte der Chef der Regionalverwaltung im Großraum Kiew, Oleksij Kuleba. Dies betreffe insbesondere die Stadt Butscha im Nordwesten und die Autobahn, die nach Westen in Richtung Schytomyr führe.
Die russischen Truppen versuchten nach Angaben von Kuleba, die Hauptstadt von den Verkehrsadern abzuschneiden und die logistischen Kapazitäten zu zerstören, während sie gleichzeitig einen weitreichenden Angriff zur Einnahme von Kiew planten.
Zwölf Ortschaften um Kiew waren ohne fließendes Wasser, in sechs gab es keine Heizung. Russische Truppen besetzten die Stadt Iwankiw, etwa 80 Kilometer nördlich von Kiew, und kontrollierten die umliegende Region an der Grenze zu Belarus, wie Kuleba sagte. In der gesamten Region Kiew litten Kindergärten, Museen, Kirchen, Wohnblocks und die technische Infrastruktur unter einem endlosen Beschuss.
Russische Truppen besetzen Klinik in Mariupol
Die schlimmste Situation herrsche weiter in der Gegend um die umkämpfte Hafenstadt Mariupol, teilte der Generalstab in Kiew in der Nacht in einem Lagebericht mit. Hier versuche die russische Armee, die Stadt am westlichen und östlichen Rand zu blockieren.
Nach Angaben der ukrainischen Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk brachten russische Truppen ein Krankenhaus unter ihre Kontrolle. 400 Patienten und Mitarbeiter würden als Geiseln gehalten. Die Soldaten hätten auf dem Klinikgelände Artillerie in Stellung gebracht und würden Schüsse abfeuern, sagte die stellvertretende Regierungschefin in einer Video-Ansprache. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die schraffierten Bereiche zeigen die von der russischen Armee kontrollierten Gebiete in der Ukraine.
20.000 Menschen verlassen Mariupol
Ob ein Fluchtkorridor zur Evakuierung weiterer Zivilisten aus Mariupol heute geöffnet werden könne, sei fraglich. Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Kyrylo Tymoschenko, teilte mit, dass bislang etwa 20.000 Menschen aus Mariupol in Sicherheit gebracht werden konnten. Allerdings seien weiterhin etwa 300.000 Menschen in der Stadt ohne Wasser, Strom oder Lebensmittelnachschub gefangen.
Russische Kriegsschiffe greifen Schwarzmeerküste an
In der Nacht feuerten russische Kriegsschiffe Raketen auf die ukrainische Schwarzmeerküste südlich von Odessa ab. Ein Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Geraschchenko, teilte bei Facebook mit, es sei auch Artillerie gegen das Gebiet in der Nähe von Tusla eingesetzt worden. "Sie feuerten eine große Menge an Munition aus großer Entfernung ab", schrieb Geraschchenko. Er gab an, Russland habe die ukrainische Küstenverteidigung testen wollen. Einen Versuch, Truppen zu landen, habe es nicht gegeben. Der Berater äußerte sich nicht dazu, ob die Geschosse Schäden anrichteten.
Bisher 500 Tote in Charkiw
Auch aus Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, wurden Detonationen gemeldet. Und auch westliche Städte, die bislang von den Kämpfen verschont geblieben waren, kommen zunehmend unter Beschuss. In Charkiw wurden nach Angaben der Regionalverwaltung seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar mindestens 500 Einwohner getötet.
Nach Angaben aus Kiew wurden in der Ukraine insgesamt schon mehr als 100 Kinder getötet. "Heute wurde eine blutige Linie überquert", twitterte das ukrainische Verteidigungsministerium unter Verweis auf die Zahl. "Jede Minute verlässt ein Kind die Ukraine, um dem Krieg zu entkommen. Russland wird zur Verantwortung gezogen werden und wird für alles bezahlen", betonte das Ministerium.
Die Angaben lassen sich unabhängig nicht überprüfen. Russland dementiert, bei seinen Militäraktionen Zivilisten ins Visier zu nehmen.
Weiter Kämpfe in ostukrainischem Gebiet Luhansk
Nach russischen Angaben dauern im Osten der Ukraine die heftigen Gefechte um die Großstadt Sjewjerodonezk an. Einheiten der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk kämpften an den Stadtgrenzen im Nordwesten, Nordosten und Osten, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in seinem Morgenbericht. In Sjewjerodonezk leben etwa 100.000 Menschen. Die Aufständischen im Gebiet Donezk hätten mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht, sagte Konaschenkow. Das ließ sich nicht überprüfen.
Mit Informationen von Palina Milling, WDR