Flucht aus der Ukraine Polen öffnet Arme und Geldbeutel
Wohnungen werden angeboten und Isomatten sowie Windeln gekauft: In Polen werden Geflüchtete aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen. Inzwischen kommen jeden Tag Zehntausende.
Es ist, als sei ganz Warschau auf den Beinen. Vor einem Sammelpunkt für Hilfsgüter bilden sich den ganzen Tag Autoschlangen; viele parken weiter entfernt und schleppen Umzugskisten mit Kleidung, Decken und Lebensmitteln auf das Gelände. Dinge, die Menschen brauchen könnten, die Hals über Kopf geflohen sind oder denen die russische Armee die Wohnung zerbombt hat.
"Wir bemühen uns zu helfen, so viel wir können. Gerade waren wir einkaufen, die Liste ändert sich ständig, wir sehen im Internet, was nötig ist", erzählt eine Frau. Sie habe Windeln, Trinkflaschen und Thermoskannen gekauft. "Ich freue mich sehr, dass sich so viele Menschen engagieren."
Die Polen machen Platz
Tatsächlich ist das Thema "Hilfe für die Ukrainer" allgegenwärtig. Es werden Wohnungen angeboten, Quartiere freigeräumt, geeignete Formen der Hilfe diskutiert. Sogar an die Grenze eilen Menschen, um zu helfen. "Wir waren in einem Laden, wo Zelte, Isomatten und Schlafsäcke verkauft werden. Alles schon ausverkauft. Man sieht also, die Leute wollen helfen", sagt ein Mann.
Und eine Frau führt aus: "Die Menschen bieten Zimmer an, Etagen in ihren Häusern. Es gibt auch eine Gruppe, die Haustiere aufnimmt. Es ist eine große Mobilisierung."
"Wir alle haben Angst"
Die Regierung errichtete ein Logistikzentrum, um Hilfsgüter in die Ukraine zu bringen. Zugleich kommen immer mehr Kriegsflüchtlinge ins Land. Meldete der Grenzschutz am ersten Kriegstag noch 20.000, so waren es zuletzt fast 50.000 Menschen binnen 24 Stunden.
Weiterhin kommen die meisten bei Ukrainern unter, die bereits im Land arbeiten, oder reisen weiter zu Verwandten anderswo in Europa. Da wehrfähige Männer nicht ausreisen dürfen, sind es vor allem Frauen und Kinder, die kommen.
Drei Ukrainerinnen umarmen sich auf der polnischen Seite der Grenze.
"Bei uns herrscht Krieg, Bomben fallen. Wir wollen leben, hoffentlich überstehen wir diese Zeit. Das hier ist eine Haltestelle, und ich hoffe, das wird möglichst schnell zu Ende gehen", sagt eine Frau. Eine andere Geflüchtete erzählt: "Morgen fahre ich nach Italien, dort lebt meine Schwester. Die Situation bei uns ist kritisch, es herrscht Panik, bei Lemberg wurde geschossen."
"Ein furchtbares Leid. Wir verabschieden uns von unseren Kindern, Ehemännern, unseren Jungs, wir alle haben Angst", sagt eine dritte Frau.
Hohe Zustimmung für Flüchtlingsaufnahme
Mit weit geöffneten Grenzen empfängt Polen diese Menschen: Ukrainer werden notfalls auch ohne gültige Papiere eingelassen, auf die Quarantäne Ungeimpfter wird verzichtet.
Umfragen zeigen eine breite Zustimmung zur Flüchtlingsaufnahme, weit mehr als während der Krise um Migranten aus Belarus im vergangenen Herbst.
Abneigung gegen Russland?
Am Spendensammelpunkt in Warschau erklären sich die Menschen diese gesamtgesellschaftliche Bewegung so: "Viele Ukrainer leben hier alltäglich, es ist eine natürliche Regung", sagt eine junge Polin. "Ich kann mir nicht vorstellen, einfach sitzen zu bleiben und nichts zu tun. Wir tun, was wir können. Ich freue mich, dass sich Polen so verhält - wenigstens das ist tröstlich."
Und ein Mann erzählt: "Die Polen waren schon immer bekannt dafür, anderen zu helfen, auch wenn sie selbst viele Probleme haben. Umso mehr, als dass sie die Russen nicht mögen." Eine Frau beschreibt es anders: "Menschen in unserem Alter fühlen sich als Weltbürger, es ist nicht wichtig, ob einer aus der Ukraine kommt, es ist ein Mensch. Und genauso kann Russland gleich bei uns sein, und wenn es so wäre, würde ich auch auf Hilfe der Nachbarn zählen."