Selenskyj-Berater Zhovkva Neutralität verhandelbar - unter Bedingungen
Ukraines Präsident Selenskyj hat mögliche Zugeständnisse an Moskau formuliert. Sein Berater Zhovkva machte in den tagesthemen klar: Man könne über eine Neutralität der Ukraine sprechen - unter bestimmten Voraussetzungen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich offenbar vom Traum eines schnellen NATO-Beitritts verabschiedet. In einem US-Interview sagte er, seine Haltung dazu habe sich "schon vor einiger Zeit abgemildert", da die NATO offenbar nicht bereit sei, "die Ukraine zu akzeptieren". Auch über den Status der Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine sei man bereit zu sprechen.
Selenskyjs Sicherheitsberater Ihor Zhovkva bestätigte im tagesthemen-Interview die Bereitschaft der Ukraine, über eine Neutralität zu sprechen. Allerdings nannte er zwei Voraussetzungen für Verhandlungen, die zuvor erfüllt sein müssten: einmal den Rückzug der russischen Truppen und einen Waffenstillstand. Die ukrainische Seite benötige strikte Garantien, damit "eine solche Situation nie wieder eintreten kann".
Härtere Sanktionen von Bundesregierung gefordert
Das gelte nicht nur für die Ukraine, warnte Zhovkva: In Deutschland sollten sich die Menschen klar machen: "Wenn wir hier die russischen Aggressoren nicht stoppen können, dann wird Russland nicht innehalten an den ukrainischen Grenzen." Russland würde in weitere Länder einfallen - in baltische Staaten oder auch Polen. Deswegen müsse Deutschland der Ukraine beistehen - durch aktive Handlungen.
Zhovkva forderte explizit die Bundesregierung auf, ihre Sanktionen gegen Moskau zu verschärfen: "Sie sind in Deutschland der Wirtschaftsmotor der EU. Insofern erwarten wir von Deutschland auch, dass man eine Führungsrolle bei den Sanktionen gegen Russland übernimmt. Wir bitten um ein Embargo russischen Gases und russischen Öls, und dass sämtliche Konten eingefroren werden in den deutschen Banken. Wir fordern, dass Waren beschlagnahmt werden, die Russen gehören. Und die SWIFT-Sanktionen sollten auf alle russischen Banken ausgedehnt werden."
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Willenskraft der ukrainischen Armee weiter stark
Zur Lage in Kiew sagte er, dass es dort sehr schwierig sei, auch um die Stadt herum. Viele Menschen versuchten, die Randgebiete sowie ihre Kleinstädte in der Nähe wegen der russischen Bombardierungen zu verlassen. Es sei sehr wichtig für die Ukraine, dass die Russen Kiew nicht einnehmen. "Das hätte für sie einen großen Symbolgehalt", so Zhovkva.
Zum Fortkommen der russischen Armee sagte er, diese habe bereits am ersten Tag Kiew umzingeln wollen. "Sie wollten einen Blitzkrieg in den ersten zwei Tagen, aber das ist nicht passiert. Keine der Großstädte ist bisher von den Russen eingenommen worden." Der Widerstand der Ukrainer sei zu groß, die Kräfte und die Willenskraft der ukrainischen Armee zu stark. "Die russischen Kräfte scheitern, die Ukraine wird nicht eingenommen werden", so Zhovkva.