Brexit-Gespräche Tusk stellt sich gegen May
Erst die Trennung, dann die zukünftigen Beziehungen: In dieser Reihenfolge will die EU laut Ratspräsident Tusk die Brexit-Gespräche angehen. Großbritanniens Premierministerin May dürfte das wenig gefallen - sie hat ganz andere Vorstellungen.
Die Europäische Union will den Brexit in zwei Schritten verhandeln - zuerst die Trennung, dann die Grundlagen für die Zusammenarbeit mit Großbritannien nach dem EU-Austritt. Auf dieser Abfolge beharrt EU-Ratspräsident Donald Tusk in seinem neunseitigen Entwurf der Leitlinien für die zweijährigen Verhandlungen, die in Brüssel bekannt wurden.
Er stellt sich damit gegen die Wünsche Großbritanniens. Premierministerin Theresa May fordert, Trennung und künftige Beziehungen zusammen zu vereinbaren. Bei dem nur scheinbar kleinteiligen Streit geht es darum, in den Verhandlungen Druckmittel in der Hand zu behalten.
"Größtmögliche Klarheit schaffen"
In Tusks Entwurf ist von einem "Phasen-Ansatz" die Rede. Ziel in der ersten Phase sei die "Entflechtung" Großbritanniens von der EU und "größtmögliche Klarheit und Rechtssicherheit für Bürger, Unternehmen, Betroffene und internationale Partner bei den unmittelbaren Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union".
Es geht insbesondere um die rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, vor allem ihre Aufenthalts- und Arbeitsrechte und Ansprüche an die Sozialversicherungen. Zweites Topthema ist die Schlussrechnung für Großbritannien für die milliardenschweren Verpflichtungen während der EU-Mitgliedschaft. Erst wenn die EU ausreichende Fortschritte bei diesen sehr schwierigen Themen feststellt, will sie in einer zweiten Phase über Grundlagen der künftigen Beziehungen sprechen.
Unter Bedingungen sei die EU dann auch zu Gesprächen über ein künftiges Freihandelsabkommen mit Großbritannien schon vor dem eigentlichen EU-Austritt des Landes bereit. Das Vereinigte Königreich müsse aber substantielle Fortschritte in den Austrittsgesprächen unter Beweis stellen, heißt es in den Entwürfen für die Leitlinien der 27 EU-Staaten.
Die britische Premierministerin May hatte in ihrem Austrittsgesuch mehrfach unterstrichen, dass sie über Trennung und künftige Beziehungen zusammen verhandeln will. Auf EU-Seite hält man es jedoch für unrealistisch, beides im Detail in nur zwei Jahren zu klären. Auch sie will die neuen Beziehungen innerhalb der Frist aber zumindest im Grundsatz vorbereiten. Die Vereinbarungen müssen bis März 2019 ausgehandelt und ratifiziert sein. EU-Chefunterhändler ist der ehemalige Kommissar Michel Barnier.
"Wir müssen Freunde bleiben"
May hatte die zweijährige Frist für den Brexit mit dem Austrittsgesuch am Mittwoch offiziell eingeleitet. Schon tags darauf stellte der britische Brexit-Minister David Davis Pläne für das "Große Aufhebungsgesetz" (Great Repeal Bill) vor, mit dem sich London letztlich von missliebigen EU-Vorschriften verabschieden will - allerdings erst nach dem Brexit.
Viele Politiker in der EU zeigen sich immer noch schockiert und wehmütig über den nahenden Abschied Großbritanniens, obwohl die Entscheidung schon vor neun Monaten bei einem Referendum fiel. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel mahnte, die Gespräche mit Großbritannien dürften nicht zu einem zerrütteten Verhältnis führen. "Wir müssen Freunde bleiben", sagte er am Donnerstag im Bundestag.