Frauen bei NGOs Planen Taliban Rücknahme des Arbeitsverbots?
Nach der Empörung über das Beschäftigungsverbot für Frauen bei Hilfsorganisationen hat ein Taliban-Minister eine mögliche Aufhebung des Erlasses angedeutet. Er wolle helfen, "einen Ausweg aus dieser Situation zu finden".
Am Montag waren sie zusammengetroffen. Der Wirtschaftsminister der Taliban, Mohammad Hanif, und Ramis Alakbarow, der für die Vereinten Nationen die Humanitäre Hilfe in Afghanistan koordiniert. Zum Verlauf des Gesprächs aber wurden bisher keine weiteren Angaben gemacht. UN-Vertreter Alakbarov hatte im Gespräch mit der Deutschen Welle allerdings erklärt, über die Beteiligung von Frauen bei der Humanitären Hilfe lasse sich nicht verhandeln: "Es ist ein Prinzip der humanitären Hilfeleistung. Und wir können nicht prinzipienlos Hilfe leisten."
Minister will Kompromiss suchen
Aus einem vertraulichen Gesprächsprotokoll, das dem ARD-Studio Südasien exklusiv vorliegt, geht nun hervor, wie das Gespräch tatsächlich verlief - und vor allem, was der Taliban-Wirtschaftsminister Hanif sagte. Offenbar zeigte er sich kompromissbereit. Er wolle helfen, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden und die Aufhebung des Erlasses zu erreichen, wonach Frauen nicht mehr bei Hilfsorganisationen arbeiten dürfen.
In dem Protokoll heißt es zudem, der Minister habe sich nahezu entschuldigend geäußert. Die oberste Taliban-Führung habe ihn beordert, das Arbeitsverbot auszusprechen. Es gelte ausdrücklich nicht für den medizinischen Sektor und nicht für die Vereinten Nationen.
Minister Hanif betonte zudem, es gebe "keinen größeren Plan zum Verbot humanitärer Hilfe". Das jetzige Verbot sei erlassen worden, weil die Taliban-Führung Berichte erreicht hätten, wonach Frauen bei Hilfsorganisationen sich nicht vollständig verschleierten. Nun solle in einigen Tagen ein Lösungsvorschlag vorgelegt werden.
Hilfsorganisationen setzen Arbeit aus
Zahlreiche Hilfsorganisationen hatten am Wochenende erklärt, dass sie ihre Aktivitäten in Afghanistan vorerst einstellen werden - auch die deutsche Welthungerhilfe und die Caritas. Man setze jetzt auf diplomatische Gespräche, so Simone Pott von der Welthungerhilfe: "Das Schicksal von Millionen von Frauen hängt im Grunde genommen von diesen Gesprächen und Verhandlungen der kommenden Tage ab. Das heißt, wir haben im Moment eine sehr, sehr wichtige Phase, in der es entscheidend ist, dass die internationale Gemeinschaft Druck ausübt und klarmacht, dass es nicht in Ordnung ist, dass die Hälfte der Bevölkerung hier von Hilfe ausgeschlossen werden soll."
Als eine der ersten Organisationen hatte der norwegische Weltflüchtlingsrat NRC erklärt, unter diesen Bedingungen könnten sie nicht mehr arbeiten - aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch rein praktisch: "Ganz praktisch gesehen können wir unsere Arbeit in diesem Land einfach nicht leisten ohne Frauen, die für uns arbeiten", sagt Becky Roby vom NRC.
"Frauen und Kinder gehören zu den verletzlichsten Menschen hier, und wir haben keinen Zugang zu ihnen ohne weibliche Mitarbeiter", so Roby weiter. Die Kultur in dem Land sei sehr konservativ, und man könne keine Männer schicken, um die Bedürfnisse von Frauen zu ermitteln und Dienstleistungen für sie zu erbringen. "Wir werden erst wieder in Afghanistan arbeiten, wenn unsere weiblichen Mitarbeiter wieder arbeiten dürfen."
Mehrere Vertreter internationaler Hilfsorganisationen sagten der ARD, die Begründung des Verbots mit der fehlenden Verschleierung hielten sie lediglich für einen Vorwand. Die nichtöffentlichen Äußerungen des Ministers seien jedoch auch ein Hinweis darauf, dass die Taliban sich beim jüngsten Erlass nicht einig sind.