EU fordert Reaktion "Extreme Sorge" über Giftgas in Ghouta
Die EU hält Berichte über einen Giftgas-Einsatz in Ost-Ghouta für glaubwürdig. Frankreichs Regierung zeigte sich in "extremer Sorge" und forderte eine baldige Sitzung des UN-Sicherheitsrats.
Aus Sicht der Europäischen Union deutet alles daraufhin, dass die syrische Regierung um Präsident Bashar al-Assad für den Einsatz von Giftgas in der Region Ost-Ghouta verantwortlich ist: "Die Beweislage deutet auf einen weiteren Chemieangriff durch das Regime hin", heißt es in einer Stellungnahme des Auswärtigen Dienstes der EU. Gefordert wird eine sofortige Reaktion der internationalen Gemeinschaft.
Frankreich beantragte für Montag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema. Acht weitere Staaten schlossen sich der Forderung an, wie es aus Diplomatenkreisen in New York hieß.
Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte, Frankreich werde im Kampf gegen die Ausbreitung von Chemiewaffen "jede Verantwortung" wahrnehmen. Er sei in "extremer Sorge" angesichts von Berichten über einen neuerlichen Einsatz chemischer Waffen.
Staatschef Emmanuel Macron hatte die Verwendung von Giftgas in Syrien als rote Linie bezeichnet. Im März hatte Macron mit "gezielten Schlägen" gedroht, falls im Syrien-Krieg ein tödlicher Einsatz von Chemiewaffen unwiderlegbar bewiesen sei.
Trump macht Assad verantwortlich
US-Präsident Donald Trump machte Assad persönlich für den Giftgas-Einsatz verantwortlich. Eine "sinnlose chemische Attacke" habe Frauen und Kinder getötet. Dafür sei ein "großer Preis zu zahlen".
Trump verwies darauf, "dass das Gebiet der Gräueltat abgeriegelt und umzingelt von der syrischen Armee ist, völlig unzugänglich von der Außenwelt".
Der russische Präsident Wladimir Putin und der Iran, wichtigste Verbündete der syrischen Regierung, seien "verantwortlich für die Unterstützung des Tiers Assad".
Zur Möglichkeit eines US-Angriffs als Reaktion auf die Attacke erklärte der Berater für Heimatschutz im Weißen Haus, Thomas Bossert, er würde nichts ausschließen. Vor gut einem Jahr wurden auf Anweisung Trumps Marschflugkörper auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt abgefeuert.
Beim Einsatz des Giftgases Sarin auf Khan Sheikhoun im April 2017 waren zuvor mehr als 80 Menschen getötet worden.
"Unschuldige grausam getötet"
Das Auswärtige Amt in Berlin zeigte sich in großer Sorge. "Sollte sich das bewahrheiten, worauf im Moment vieles hindeutet, dann hat das Regime - fast auf den Tag genau ein Jahr nach Khan Sheikhoun - erneut international geächtete Waffen eingesetzt und Unschuldige auf grausame Art und Weise getötet. Dies verurteilen wir auf das Schärfste", teilte ein Sprecher mit. Die Angriffe richteten sich offensichtlich gezielt gegen diejenigen, die in Kellern und Bunkern Schutz und Zuflucht suchten.
"Wir fordern die Unterstützer des Regimes, insbesondere Russland und Iran auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden und in Übereinstimmung mit internationalem Recht für den Schutz und die humanitäre Versorgung der Zivilisten zu sorgen", erklärte der Sprecher. "Der Kampf gegen den Terrorismus darf nicht als Vorwand dienen, unterschiedslos und mit äußerster Gewalt gegen Männer, Frauen und Kinder vorzugehen. Die Verantwortlichen für diese Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden."
Die EU forderte Russland und den Iran als Unterstützer von Assad dazu auf, ihren Einfluss zu nutzen, weitere derartige Angriffe zu verhindern.
Seit Freitag wird die Rebellenhochburg Duma wieder massiv bombardiert.
Warnung vor Militärintervention
Die russische Regierung warnte die USA vor einer Militärintervention "unter erfundenen Vorwänden" in einem Land, in dem sich "auf Bitten der legitimen syrischen Regierung russische Soldaten aufhalten". Dies wäre "inakzeptabel und könnte schwerste Konsequenzen haben", erklärte das russische Außenministerium. Die russische Militärführung in Syrien wies die Berichte als "fabrizierte Anschuldigungen" zurück.
Auch die syrische Regierung und ihr zweiter wichtiger Verbündeter, der Iran, wiesen die Giftgas-Vorwürfe zurück. Die Regierung in Damaskus erklärte, die Rebellen in Ost-Ghouta stünden vor der Niederlage und verbreiteten Unwahrheiten. Derartige Berichte dienten dazu, das Vorrücken der syrischen Armee zu verhindern.
Hilfsorganisationen berichteten von Chemiewaffeneinsatz
Am Samstag hatten mehrere in der Stadt tätige Hilfsorganisationen berichtet, es seien Chemiewaffen eingesetzt worden. Nach Angaben der "Weißhelme" und der Hilfsorganisation "Syrian American Medical Society" (SAMS) wurde Giftgas verwendet. Die Helfer vor Ort sprachen von etwa 50 Toten und rund 500 Verletzten. Ganze Familien seien in Schutzräumen erstickt. Das syrische Ärzte-Netzwerk UOSSM bezifferte die Zahl der Todesopfer sogar auf bis zu 150. Von unabhänger Stelle konnten die Angaben bislang nicht geprüft werden.
Die "Weißhelme" berichteten über typische Symptome einer Vergiftung durch Gas: brennende Augen, Atemprobleme, Schaum vor dem Mund, erweiterte Pupillen, Krämpfe. Diese Anzeichen könnten der Organisation zufolge auf den Einsatz des Giftgases Sarin hindeuten. Allerdings berichteten die Helfer auch von einem Chlorgeruch, was ein Anzeichen für Chlorgas sein könnte.