Syrische Medienberichte Rebellen ziehen offenbar aus Duma ab
Die Rebellen in Duma geben laut syrischen Medienberichten offenbar ihre letzte Hochburg in der Region Ost-Ghouta auf. Die Stadt wurde massiv bombardiert, möglicherweise wurden Chemiewaffen eingesetzt.
Die syrische Stadt Duma in der umkämpften Region Ost-Ghouta ist die letzte Hochburg, die noch in der Hand von Rebellen liegt. Doch nach heftigen Bombardements, bei denen möglicherweise auch Chemiewaffen eingesetzt wurden, wollen die Kämpfer der radikal-islamischen Gruppe Dschaisch al-Islam die Stadt offenbar verlassen, wie staatliche Medien berichteten.
Verhandlungen waren Ende der Woche gescheitert
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete unter Berufung auf nicht genannte "offizielle Quellen", es seien bereits Busse auf dem Weg in die Stadt. Die Rebellen sollen demnach in die nordsyrische Stadt Dscharablus gebracht werden, zudem sollen freigelassene Gefangene der Islamisten in Sicherheit gebracht werden. Vonseiten der Dschaisch al-Islam kam bislang keine Bestätigung.
Am Freitag hatte Syrien, unterstützt von russischem Militär, die Angriffe auf Duma wieder aufgenommen, nachdem Verhandlungen mit den Rebellen gescheitert waren. In einer Militäroffensive hatten die syrischen Streitkräfte seit Februar nahezu die gesamte Region Ost-Ghouta eingenommen - nur Duma konnten die Rebellen noch halten.
Seit Tagen liegt die Stadt Duma unter schwerem Feuer.
Helfer berichten über Einsatz von Chemiewaffen
Am Samstag berichteten mehrere Hilfsorganisationen, die in der Stadt im Einsatz sind, es seien auch Chemiewaffen eingesetzt worden. Nach Angaben der sogenannten Weißhelme und der Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (SAMS) wurde Giftgas eingesetzt. Die Helfer vor Ort sprachen von etwa 50 Toten und rund 500 Verletzten. Ganze Familien seien in Schutzräumen erstickt. Das syrische Ärzte-Netzwerk UOSSM bezifferte die Zahl der Todesopfer sogar auf bis zu 150. Von unabhänger Stelle konnten sämtliche Angaben bislang nicht geprüft werden.
Die Weißhelme berichteten über typische Symptome einer Vergiftung durch Gas: brennende Augen, Atempronbleme, Schaum vor dem Mund, erweiterte Pupillen, Krämpfe. Diese Anzeichen könnten der Organisation zufolge auf den Einsatz des Giftgases Sarin hindeuten. Allerdings berichteten die Helfer auch von einem Chlorgeruch, was ein Anzeichen für Chlorgas sein könnte.
Als Beleg für ihre Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen veröffentlichten die Weißhelme Fotos von Patienten, die gegen die Symptome wie Atemnnot kämpfen.
Der arabische Nachrichtensender Al Arabya zeigte Aufnahmen aus einem behelfsmäßigen Krankenhaus in Duma: Kinder ringen nach Luft, werden mit einem Wasserschlauch abgespritzt, müssen inhalieren. Alle schreien durcheinander.
Klares Dementi von Syrien und Russland
Die syrische Regierung wies die Berichte umgehend zurück. Die Rebellen in Duma stünden vor der Niederlage und verbreiteten Unwahrheiten. Derartige Berichte dienten nur dazu, das Vorrücken der syrischen Armee zu hindern. "Jeder einfache Soldat kann dir sagen, dass es verboten ist, Chemiewaffen im direkten Kampf einzusetzen, denn das würde ja auch unsere Soldaten gefährden - deshalb kann von Chemiewaffen keine Rede sein", äußerte sich der Parlamentsabgeordnete Mohanad Al Hadschali im Staatsfernsehen.
Ähnlich äußerte sich auch das russische Militär: Die Berichte über den Giftgas-Einsatz seien "fabrizierte Anschuldigungen", zitierte die Agentur Interfax den Generalmajor Juri Jewtuschenko. Sobald die Rebellen Duma verlassen hätten, sei Russland bereit, Experten in die Stadt zu schicken, um zu beweisen, dass keine Chemiewaffen eingesetzt worden seien. Auch das russische Außenministerium sprach von "Täuschungsversuchen", die nur dazu dienen sollten, Terroristen zu schützen.
Scharfe Kritik am "Tier Assad"
Mehrere westliche Staaten reagierten besorgt auf die Berichte aus Duma. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, betonte: "Diese Berichte - sollten sie bestätigt werden - sind fürchterlich und erfordern eine sofortige Reaktion der internationalen Gemeinschaft." Das Regime des syrischen Machthabers Bashar al-Assad müsse in diesem Fall zur Verantwortung gezogen werden. Russland forderte sie auf, seine Unterstützung für Syriens Regierung einzustellen und stattdessen "mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um weitere barbarische Chemiewaffenangriffe zu verhindern".
US-Präsident Donald Trump verurteilte den möglichen Einsatz von Chemiewaffen über Twitter: "Viele tot, darunter Frauen und Kinder, durch einen sinnlosen chemischen Angriff in Syrien." Weiter schrieb er: "Präsident Putin, Russland und der Iran tragen die Verantwortung für die Unterstützung des Tieres Assad." Sie würden einen hohen Preis dafür zu zahlen haben.
Beobachter sind sich einig: Trump dürfte den mutmaßliche Giftgasangriff als direkte Provokation empfinden. Denn es ist wohl kaum ein Zufall, dass sich der mutmaßliche Chemiewaffenangriff auf den Tag genau ein Jahr nach Trumps letzter militärischer Syrien-Offensive ereignete: Vor genau einem Jahr griffen US-Streitkräfte eine syrische Militärbasis an - als Reaktion auf den verheerenden Giftgasangriff Anfang April 2017 im syrischen Chan Scheiun. Damals waren mehr als 80 Menschen erstickt. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen machte später die syrische Regierung für den Chemiewaffenangriff verantwortlich.
Auch das britische Außenministeriums forderte eine schnelle Untersuchung der Vorwürfe. Assad, Russland und der Iran sollten "die Gewalt gegen unschuldige Zivilisten stoppen".