Geberkonferenz Was sich junge Syrer wünschen
Als der Krieg ausbrach, waren sie noch Kinder: In Zukunft müssen die jungen Syrer ihr Land wieder aufbauen. Wie sie sich das vorstellen, erklären sie auf der Geberkonferenz in Brüssel.
Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig: Der junge Stahlbau-Ingenieur Ayham Maksoud aus Aleppo macht sich gerade selbstständig, als der Krieg in Syrien ausbricht. Seine junge Firma verlegt er nach Libyen. Zwei Jahre später wird auch dort mehr gebombt als gebaut. Er zieht weiter in die Türkei. Dort beschäftigt er heute 40 Angestellte, doch eigentlich möchte er am liebsten zurück nach Syrien.
"In Syrien zu arbeiten, ist mein größtes Ziel", sagt er. "Das ist mein Land, das muss ich wieder aufbauen." Wenn der Konflikt zu Ende ist, dann will er zusätzlich zu seiner Arbeit in der Türkei wieder in Syrien anfangen.
"Wir nehmen die Dinge in die Hand"
Solidarität sei wichtig, aber keine dauerhafte Lösung, sagen die jungen Syrerinnen und Syrer zur großen Geberkonferenz in Brüssel. Bei ihrem Treffen mit dem EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik, Johannes Hahn, hat dem konservativen Österreicher offenbar imponiert, dass viele den Eindruck vermittelt hätten: "Wir nehmen die Dinge in die Hand. Helft uns dabei, aber in unserem eigenen Selbstverständnis wollen wir nicht ewig von der Unterstützung anderer abhängig sein."
Nicht nur Hilfsempfänger
Zehn Milliarden Euro hat die EU bisher für humanitäre Projekte in Syrien und seinen Nachbarländern eingesammelt. Auch Zubeida Alrawi will die Region nicht nur als Hilfsempfänger präsentieren. Nach ihrer Flucht aus Syrien gründete die junge Frau ein Übersetzerbüro in der Türkei. Für ihre Heimat wünscht sie sich nicht weniger als einen gesellschaftlichen Neustart. "Wir haben so viele Qualifikationen, die wollen wir einsetzen", sagt sie. "Wir wollen unser eigenes Leben gestalten. Und zwar so, als wäre vorher nichts gewesen." Den Krieg müsse man vergessen und stattdessen ein neues Leben beginnen, mit neuen Jobs, neuen Geschäftsideen. "Wir müssen viel wirkungsvoller werden in allen Bereichen."
Zerstörung in Aleppo: Wer baut das Land wieder auf?
An politische Bedingungen geknüpft
Der Wiederaufbau ist das zweite große Thema der Syrien-Konferenz, neben der Hilfe für Menschen auf der Flucht. Geld für ein neues Syrien knüpft die EU jedoch an politische Bedingungen: Eine Regierung ohne Bashar al Assad lautet die wichtigste - und zugleich unrealistischste.
Die jungen Syrer mit den großen Plänen hören das nicht gern, doch EU-Kommissar Hahn bleibt hart. "Wir haben auch eine Verpflichtung unseren Steuerzahlern gegenüber", sagt Hahn. "Wir können nicht einfach aufbauen, wenn nicht der Frieden einigermaßen gesichert ist und das Risiko besteht, dass das, was wir gerade aufgebaut haben, gleich wieder zerstört wird." Deshalb sei ein politischer Frieden unabdingbar.
In den Wiederaufbau einbinden
Den großen Wurf zum schnellen Frieden für Syrien erwartet kaum jemand von der Syrien-Konferenz. Die entscheidenden Akteure der Region verhandeln nicht gern auf großer Bühne - schon gar nicht in Brüssel. Ein Erfolg wäre bereits, weitere Hilfszusagen in Milliardenhöhe festschreiben zu können.
Ayham, der Ingenieur mit dem unglücklichen Timing, würde das Geld vor allem in Bildung investieren. "Diejenigen, die Syrien wieder aufbauen werden, brauchen heute Training", sagt er. "Denn nach sechs Jahren Krieg sind die meisten Syrer heute arbeitslos." Viele mussten die Uni verlassen, ihre Ausbildung abbrechen. "Wenn wir für sie keine Lösung finden, wird es das nächste Desaster für Syrien geben", befürchtet er. Sie in den Wiederaufbau einzubinden, werde besonders wichtig. "Ich denke, die EU wird genau das ebenfalls erreichen wollen."
Diplomatische Delegationen erwarten von der Konferenz zur Zukunft Syriens kaum mehr als den Austausch bekannter Positionen. Dagegen ist der Optimismus in Brüssel ausgerechnet bei denen am größten, die in ihrer Heimat kaum etwas anderes kennen - als Krieg.