Neue Studie EU-Steuerpolitik schadet Entwicklungsländern
Knapp 90 Milliarden Euro plant die EU in ihrem nächsten Haushalt für Entwicklungshilfe ein. Dabei tragen viele EU-Staaten offenbar selbst Mitschuld an der Armut vieler Entwicklungsländer.
Steuerabkommen zwischen EU-Staaten und Entwicklungsländern sollen eigentlich Geldwäsche und Steuervermeidung eindämmen. Häufig sind diese Verträge aber kein gutes Geschäft für Schwellenländer, sondern nutzen vor allem den mächtigeren EU-Staaten und schonen internationale Konzerne. Das ist das Ergebnis einer Studie der London School of Economics, die dem ARD-Studio Brüssel vorliegt.
Minusgeschäft für viele Länder im Süden
172 Steuerabkommen mit Entwicklungsländern hat die Linksfraktion im Europaparlament untersuchen lassen. Das Ergebnis: Durch Verträge mit EU-Ländern büßen Schwellenländer im Schnitt mehr Geld ein als durch vergleichbare Abkommen mit anderen Staaten. Für viele Länder im globalen Süden seien Verträge mit der EU sogar ein Minusgeschäft. Durch sie entgingen ärmeren Ländern Steuereinnahmen, vor allem auf die Gewinne multinationaler Konzerne. Diese erwirtschaften einen Großteil ihrer Umsätze in eben diesen Entwicklungsländern, zahlen dort aber kaum Steuern, sondern bestenfalls in ihren Herkunftsstaaten, bilanziert die Studie.
Ursache liegt in der Zielsetzung
Die Ursache dieses Ungleichgewichts liegt nach Auffassung von Experten häufig bereits in der Struktur vieler Doppelbesteuerungsabkommen: EU-Staaten verhandelten die Abkommen häufig allein nach der Maßgabe maximalen Steuerertrags für die eigene Staatskasse - statt mit dem Ziel, Steuervermeidung zu bekämpfen. Als "Kolonialgebaren" bezeichnet der Europa-Abgeordnete der Linken, Martin Schirdewan, die Steuerpolitik vieler EU-Staaten. Diese sollten bestehende Abkommen mit Entwicklungsländern auf schädliche Auswirkungen hin untersuchen und gegebenenfalls abändern.
Bereits frühere Untersuchungen, beispielsweise durch den Internationalen Währungsfonds hatten ergeben, dass allein den Afrikanischen Staaten jährlich 175 Milliarden Euro Steuern entgehen. Diese Summe entspräche etwa der dreifachen Menge aller westlichen Entwicklungshilfe für den gesamten Kontinent.
Sonderausschuss zur Finanzkriminalität
Zum Thema Finanzkriminalität hat das Europaparlament einen Sonderausschuss eingesetzt. Er soll bis zum Jahresende Empfehlungen an die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten für den Kampf gegen Steuervermeidung ausarbeiten.