Interview

Spaniens Vize-Regierungschefin Sáenz de Santamaria "Eines Tages wird Spanien wieder Menschen anziehen"

Stand: 05.03.2013 21:05 Uhr

Bei der EU erntet Spanien für den Reformkurs Lob. Doch auf der Straße sei dieser noch nicht angekommen. Vor allem viele junge Spanier verlassen deshalb das Land, räumt die Vize-Regierungschefin ein. Doch Spanien werde wieder Menschen anziehen, sagt Sáenz de Santamaria im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Die EU-Finanzminister in Brüssel haben die spanischen Reform-Fortschritte gelobt. Bleibt der Weg trotzdem weiter steinig?

Soraya Sáenz de Santamaria: Wir haben zwar unsere Hausaufgaben gemacht und sehen makroökonomische Erfolge, aber die müssen noch "auf der Straße" durchschlagen - bei den Arbeitssuchenden, bei kleineren und mittleren Unternehmen. Wir mussten den Reformweg gehen, um aus der Krise herauszukommen. Nur dieser eine Schritt fehlt eben noch. Da hilft es natürlich nicht, dass wir momentan in einer Rezession stecken. Aber wir hoffen, dass sich im Laufe dieses Jahres erste Erfolge einstellen.

tagesschau.de: Macht Ihnen die Arbeitslosigkeit Sorgen?

Sáenz de Santamaria: Natürlich. Das ist die größte Sorge der spanischen Regierung, besonders der Arbeitsmarkt für junge Menschen. Ich hatte die Gelegenheit, heute mit Bundeskanzlerin Merkel darüber zu sprechen. Es gibt ja eine deutsch-spanische Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit. Ich glaube, dass wir da sehr von der deutschen Expertise in der Ausbildung profitieren können. An der müssen wir uns orientieren. Besonders, wenn es um die Wiedereingliederung von Jugendlichen geht, die aus dem Arbeitsmarkt gefallen sind - oder um die, die noch nie drin waren.

tagesschau.de: Was ist mit den vielen arbeitssuchenden Jugendlichen, die derzeit nach Deutschland kommen? Glauben Sie, dass die irgendwann mal wieder nach Spanien zurückkehren können?

Sáenz de Santamaria: Die Europäische Union ist ein Raum der Mobilität. Ich will, dass alle Europäer sich frei bewegen können. Es wird aber der Tag kommen, an dem Spanien wieder Menschen anzieht, die auch bei uns arbeiten wollen. Daran arbeiten wir. Grundsätzlich ist Mobilität gut – nur jetzt müssen wir Spanier eben daran arbeiten, dass sie auch wieder in unsere Richtung stattfindet. (lacht) Ich bin sicher, dass wir das schaffen.

tagesschau.de: Von den 100 Milliarden Euro, die die EU für die spanischen Banken bereitgestellt hat, brauchen Sie nach jetzigem Stand nur um die 40. Bleibt es dabei?

Sáenz de Santamaria: Bei 40 Milliarden sind wir noch gar nicht angekommen. Und die Kommission hat unsere Fortschritte anerkannt. Wir haben jetzt eines der am besten abgesicherten Finanzsysteme. Unsere "Bad Bank" Sareb ist funktionstüchtig, damit haben wir ein immenses Problem gelöst. Andere Staaten waren da sicher ein bisschen schneller, wir waren spät dran. Aber jetzt sind wir so weit, wir bemühen uns sehr um Transparenz und darum, vorausschauend zu handeln.

Wir arbeiten jetzt daran, unsere Glaubwürdigkeit im Bankensektor wieder herzustellen. Dieser Sektor - mit seinen großen Unternehmen - ist für Spanien extrem wichtig. Viele der großen Institute hatten ja gar keine Probleme. Und die Aufgaben, die bleiben, die erledigen wir jetzt.

tagesschau.de: Es ist kein Geheimnis, dass Spanien und Deutschland unterschiedlicher Meinung sind, inwiefern spanische Banken direkte Hilfe bekommen sollen…

Sáenz de Santamaria: Wir haben schon viel erreicht, zum Beispiel bei der einheitlichen Bankenaufsicht. Über die direkte Kapitalisierung der Banken haben wir ja lange überhaupt nicht geredet, und jetzt ist das Thema wieder da. Also müssen wir dranbleiben. So ist eben Europa!

Das Interview führte Natalia Bachmayer, ARD-Hauptstadtstudio