Corona-Lockerungen in Spanien Ein bisschen Normalität für die Kinder
Endlich wieder frische Luft: Erstmals seit sechs Wochen durften Spaniens Kinder wieder vor die Tür, wenn auch vorsichtig und mit Einschränkungen. Für viele Spanier ist es dennoch ein erster Schritt in die Normalität.
Cristina hat Angst vor dem Mikrofon. Sie versteckt sich scheu hinter dem Bein ihres Vaters. "Sag dem Reporter, was wir gerade gesagt haben - das mit der Luft", hilft der Vater nach. "Es ist schön, frische Luft zu spüren", erwidert Cristina. Sie war schon lange nicht mehr an der frischen Luft - seit mehr als 40 Tagen. So lange dauert die spanische Ausgangssperre schon, die in ihrer Härte vor allem auch die Kinder getroffen hat. Erwachsene durften immerhin zum Einkaufen raus - oder zum Gassigehen mit dem Hund.
Die Vorsicht bleibt
Kinder wie Cristina mussten drinnen bleiben. Jetzt darf sie immerhin für bis zu eine Stunde auf die Straße, zwischen neun und 21 Uhr, in einem Umkreis von einem Kilometer um die eigene Wohnung und in Begleitung eines Elternteils. Auch Vater Íñigo hat sich sehr auf diesen Tag gefreut. "Es ist herrlich, auch weil das Wetter so toll ist. Und es sind nur wenige auf der Straße - deswegen kann man sich ziemlich sicher fühlen."
Die Vorsicht ist vielen Spaniern anzumerken. Manche trauen sich auch weiterhin nicht aus den eigenen vier Wänden. Und die, die es tun, tragen oft Masken und auch Handschuhe. Auch Basilio hat welche dabei. Sein kleiner Sohn sitzt im Buggy und strahlt. Die Familie wohnt in einer dunklen Wohnung, die zum Innenhof geht. Da ist der Gang auf die sonnige Straße doppelt so schön. "Es ist das erste Mal, dass wir zusammen draußen sind", sagt er. "Das Kind ist jetzt viereinhalb Monate alt, es war also die Hälfte seines Lebens eingesperrt. Und vor zwei Monaten hat er ja noch nicht viel mitbekommen. Jetzt guckt er sich die Welt mit ganz großer Neugier an."
Auch Sport soll bald wieder erlaubt sein
Mit dem Freigang der Kinder hat Spanien die Ausgangssperre jetzt zum ersten Mal etwas gelockert. Regierungschef Pedro Sánchez machte den Spaniern am Wochenende Hoffnung, dass sie sich schon auf die nächste Lockerung freuen dürfen: "Ab dem 2. Mai wird es erlaubt sein, individuell Sport zu treiben und mit dem Menschen spazieren zu gehen, mit dem wir eine Wohnung teilen."
Voraussetzung für die Lockerung sei, dass sich die Lage in den kommenden Tagen weiter verbessert, so Sánchez. Grund zum Optimismus gibt es immerhin: Am Sonntag lag die Zahl der neuen Todesopfer bei 288 - eine so niedrige Zahl hat Spanien seit vier Wochen nicht verzeichnet. Die harte Ausgangssperre trage Früchte, so Sánchez.
Wer gegen sie verstößt, muss ein Bußgeld von mehr als 600 Euro, in schweren Fällen sogar eine Gefängnisstrafe befürchten. Die Polizei hat in den vergangenen sechs Wochen immerhin mehr als 740 000 Bußgeldverfahren eröffnet. Íñigo findet die harten Strafen richtig: "Ich glaube, die Spanier sind nicht so diszipliniert wie viele im Norden Europas. Wenn du nach Schweden schaust - da haben die Menschen es selbst akzeptiert, zu Hause zu bleiben. Hier nicht. Entweder bist du streng - oder die Leute halten sich nicht an die Regeln."
Viele trugen bei ihren ersten Spaziergängen mit den Kindern Masken.
Die meisten Spanier befolgen die Regeln
Diese Skepsis teilt er mit vielen in Spanien. Der ganz überwiegende Teil scheint sich aber durchaus an die Regeln zu halten. Der bekannte Epidemologe Ildefonso Hernández findet die Selbstkritik denn auch ungerechtfertigt. Die Ausgangssperre hält er für übermäßig streng, das Vorgehen der Polizei sei teils überzogen: "Wir Spanier haben oft ein schlechtes Bild von uns, das allerdings nicht der Realität entspricht. Das Bild, das die Sicherheitskräfte abgeben, hilft jedenfalls nicht dabei, dass die Menschen sich dazu verpflichtet fühlen, auch selbst Verantwortung zu übernehmen. Genau das wird aber nötig sein, denn es liegt noch ein langer Weg vor uns."
"Der Weg in Richtung einer neuen Normalität wird lang" - so hat es Regierungschef Sánchez gesagt. Aber seit diesem Wochenende gibt es immerhin ein bisschen mehr Normalität in Spanien. Zumindest für die Kinder.