Medizinische Versorgung soll vereinfacht werden Brüssel will die grenzenlose Arztwahl
Die EU-Kommission will Patienten mehr Freiheit bei der Arztwahl ermöglichen. Gesundheitskommissarin Androula Vassiliou stellte einen Gesetzentwurf vor, nach dem ambulante Behandlungen im Ausland künftig ohne Wenn und Aber von der Krankenkasse erstattet werden müssen.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Josef Daul, der Vorsitzende der Konservativen im Europaparlament, ist Elsässer und er weiß, dass Europa immer noch voller Grenzen ist - zum Beispiel für Patienten: "Wenn wir nach Kehl fahren oder die Deutschen nach Frankreich, dann sehe ich als Abgeordneter, dass es immer noch Probleme gibt. Da lässt sich bei der Zusammenarbeit der Spitäler noch einiges verbessern."
Die Patienten im kleinen Grenzverkehr sind nur eine Gruppe, denen Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou helfen will. Hinzu kommen Menschen mit seltenen Krankheiten, die nur im Ausland einen Spezialisten finden können und Bürger von Mitgliedsstaaten mit langen Wartelisten für die richtige Behandlung.
Finanzierung könnte Probleme machen
Sie alle haben ein Recht darauf, sich im Ausland einen Arzt zu suchen, so wie es der Europäische Gerichtshof schon mehrfach bestätigt hat. Das Problem ist die Finanzierung, sagt die SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt: "Wenn man zulässt, dass ein Patient im Ausland eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, dann darf dafür nur soviel bezahlt werden wie zu Hause - auch wenn es im Ausland sehr viel teurer ist."
Genau das wird nun geregelt. Kommissarin Vassilou schlägt vor, dass die Kassen nur das erstatten müssen, was sie zu Hause auch gezahlt hätten. Bei kleineren, ambulanten Eingriffen soll das unbürokratisch passieren.
Langwierige OPs müssen weiter genehmigt werden
Anders ist es bei Operationen mit Krankenhausaufenthalt. Muss ein Mitgliedsstaat fürchten, dass ihm die Patienten in Scharen ins Ausland abwandern und die eigenen Kliniken leer bleiben, kann er die Genehmigung der Krankenkasse fordern. Die Kommission schlägt zudem vor, dass die Patienten in einigen Fällen die Rechnung selbst vorstrecken sollten. Das allerdings können die Mitgliedsstaaten dann selbst entscheiden.
Wichtig ist der Kommission auch, dass nur die Therapien und Eingriffe bezahlt werden müssen, die im jeweiligen Land auch erlaubt sind. Als Beispiel werden Abtreibungen und künstliche Befruchtungen genannt.
Das alles sein kein Versuch der EU, nun auch noch in die Gesundheitspolitik hinein zu regieren, betont der konservative Abgeordnete Daul: "Die deutsche Krankenversicherung und die französische Sécurité sociale werden Sache der Länder bleiben."
Ansturm auf deutsche Krankenhäuser?
Tatsächlich fürchten einige Staaten das Ausbluten ihrer Gesundheitssysteme, sollten die Patienten ins Ausland fliehen. Für die gut versorgten deutschen Versicherten dürfte es wenig Anreiz dazu geben. Umgekehrt können Krankenhäuser hierzulande zum Beispiel auf Patienten aus Großbritannien hoffen, wo oft monatelang zum auf eine neue Hüfte gewartet werden muss.
Insgesamt aber schätzt die Kommission das Interesse der Patienten eher gering ein. Gerade mal ein Prozent der Gesundheitsbudgets werde in anderen Ländern ausgegeben. Die meisten Menschen möchten doch lieber daheim im Krankenhaus um die Ecke in ihrer Muttersprache behandelt werden.