EU-Sozialpaket Ein nett gemeinter, hilfloser Versuch
Noch sind die Ursachen für das "Nein" der Iren zum EU-Reformvertrag nicht geklärt, da macht Brüssel klar: Hier sitzt die sozialste EU-Kommission aller Zeiten. Handlungsfähig ist sie dazu, wie die 19 Initiativen zeigen sollen. Doch der dynamische Eindruck trügt.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Drei Wochen liegt das Scheitern des Referendums in Irland zurück, noch sucht die irische Regierung nach den Gründen für das "Nein" ihrer Bürger zu mehr Europa, da hat die EU-Kommission bereits reagiert.
Als hätte sie das "Nein" persönlich genommen, stellt sie sich mit breiter Brust vor Europa und verkündet: Ihr habt Euch alle geirrt, wir sind gar nicht unsozial, im Gegenteil, wir sind die sozialste Kommission aller Zeiten.
Dynamischer Eindruck
Wahrhaftig - 19 Inititiativen, vier davon im Rang von Gesetzen, Berge von Papier, mehrere Pressekonferenzen, das alles angereichert mit dem Besten, das der Grundwortschatz Sozialpolitik zu bieten hat, und garniert mit ersten Protestbriefen, das macht schon was her, das wirkt frisch, das wirkt dynamisch.
Unbequemes weiter aufgeschoben
Doch das verfliegt schnell. Die Richtlinie zur Gesundheit zum Beispiel war schon voriges Jahr angekündigt, wurde verschoben und drastisch eingekürzt. Nur die Patienten erhalten jetzt die Freiheit, sich in Europa die beste Hilfe zu besorgen. Ein Regelwerk für die Anbieter von Gesundheitsdiensten fehlt weiterhin, davor hat sich die Kommission gedrückt.
Auch die Antidiskriminierungsrichtlinie ist eher lau. Sicher ist es richtig, die vorhandenen Richtlinien endlich abzurunden. Derzeit werden Behinderte zum Beispiel nur in der Arbeitswelt vor Benachteiligung geschützt. Warum sollte das nicht auch draußen im wirklichen Leben gelten? Allerdings haben es viele Staaten der EU bisher nicht für nötig gehalten, überhaupt nationale Gesetze gegen Diskriminierung zu erlassen. Dieser neue Vorstoß ist also so nett gemeint wie hilflos.
Ein bisschen Menschlichkeit
Wie eben das ganze Sozialpaket ein so netter wie hilfloser Versuch ist, der vermeintlich kalten, herzlosen Europäischen Union ein bisschen Menschlichkeit zu verpassen. In Wirklichkeit werden alle diese Vorschläge nun gelocht, abgeheftet und verstauben wenigstens bis Ende nächsten Jahres im Regal.
Erst nämlich muss die Europäische Union ihre internen Probleme lösen, Stichwort Irland, dann wird sie es vor der Europa-Wahl tunlichst vermeiden, irgendwelche Streitthemen auf die Tagesordnung zu setzen, und dann nach der Wahl, tja, wird sich zeigen, wer überhaupt noch dabei ist.
Um mal einen Satz aus dem Handbuch der Symbolpolitik zu benutzen: Die Kommission hat Handlungsfähigkeit demonstriert. Sie hat nicht gehandelt, sie hat bloß gezeigt, was sie tun würde, wenn sie etwas tun könnte. Positiv betrachtet ist das mehr als Nichts. Aber mehr eben auch nicht.
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