EU-Kommission diskutiert über Schengen-Abkommen Wieder Kontrollen an europäischen Grenzen?
Die Europäische Kommission will laut einem Medienbericht die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengen-Staaten verstärken. Damit soll die illegale Einreise von Flüchtlingen begrenzt werden. Auch die Möglichkeit, an den innereuropäischen Grenzen wieder Kontrollen einzuführen, werde diskutiert.
Die Außengrenzen des Schengen-Raumes sollen stärker kontrolliert werden. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, will die Europäische Kommission am Donnerstag einen entsprechenden Vorschlag zur Reform des Abkommens vorlegen. Dieser sehe vor, den Vertrag um eine Klausel zu erweitern, der es der Europäischen Union "erlaubt, zu handeln, wenn einzelne Mitgliedsstaaten ihre Verpflichtungen zur Sicherung der Außengrenzen nicht erfüllen können oder wenn die Außengrenzen durch unerwartete Ereignisse gefährdet werden". Ziel sei es, die illegale Einreise von Migranten zu begrenzen und ihre Weiterreise innerhalb der Schengen-Staaten zu verhindern.
Frontex soll "Schlüsselrolle" übernehmen
Eine Schlüsselrolle bei der Grenzsicherung soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex übernehmen. Dazu müssten die Rechtsgrundlage von Frontex verbessert und ihre "operativen Kapazitäten" ausgeweitet werden, zitiert die Zeitung aus dem Papier. Frontex brauche mehr Geld und mehr Kompetenzen, um die Grenzen zu schützen.
Zugleich müssten die Regeln der Zusammenarbeit der Schengen-Staaten verbessert werden. Bürger aus Drittstaaten würden dann bei der Einreise in die Union erfasst. Grenzkontrolleure und Migrationsbehörden aller Länder könnten auf diese Daten zugreifen. Als letztes Mittel in "kritischen Situationen" schlage die Kommission "eine koordinierte und zeitlich begrenzte Wiedereinführung der Kontrolle der internen Grenzen" zwischen Schengen-Staaten vor. Dafür hatten sich zuvor bereits Italien und Frankreich stark gemacht. Diese Kontrolle solle solange durchgeführt werden, bis es mithilfe anderer Maßnahmen gelinge, die Außengrenzen wieder zu stabilisieren.
Sollte der Schengen-Text geändert werden, müssten EU-Ministerrat und Europaparlament zustimmen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa ist dies jedoch nicht geplant. Es handele sich bei der Veröffentlichung nicht um einen Gesetzesvorschlag, zitiert sie einen EU-Diplomaten. Die jüngsten Ereignisse hätten aber gezeigt, dass die EU ihre Antworten auf die Krise verbessern müsse.
Grenzkontrollen in Ausnahmefällen möglich
Die Schengen-Vereinbarung gilt als Kernstück des europäischen Zusammenwachsens: Derzeit gehören mit dem kürzlich aufgenommenen Liechtenstein 26 Länder dem Schengen-Raum an. Die 400 Millionen Einwohner dürfen sich ohne Passkontrollen von Italien bis Norwegen und von Portugal bis Polen bewegen. Nach Artikel 23 des Abkommens kann ein Mitgliedsland jedoch "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen Personen wieder kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder solange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Die Schengen-Staaten nutzen zum Beispiel diese Klausel, um vor großen Sportveranstaltungen Reisende zu kontrollieren. So wurde 2006 vielen ausländischen Hooligans die Anreise zur Fußball-WM nach Deutschland verwehrt. Die Einreise von Flüchtlingen, wie derzeit aus Nordafrika nach Italien, stellt nach Ansicht der EU-Komimssion aber keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.
Auslöser für den Vorstoß von Italien und Frankreich sind die politischen Umwälzungen in der südlichen Nachbarschaft von EU und Schengen-Gemeinschaft. Seit Beginn der Aufstände in Nordafrika erreichten rund 26.000 Flüchtlinge die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa. Etwa 2000 Flüchtlinge kamen allein in den vergangenen eineinhalb Tagen auf der Insel an. 500 seien heute bei starkem Wind und hohem Seegang angekommen.
Die EU-Innenminister werden am 12. Mai den Vorschlag der Kommission zur Reform des Schengen-Abkommens beraten.