EU-Parlament ehrt fünf Aktivisten Sacharow-Preis geht an arabische Freiheitskämpfer
Sie trugen zum Umbruch im arabischen Raum bei - und sind dafür mit dem Sacharow-Preis des EU-Parlaments gewürdigt worden: Vier Aktivisten aus Libyen, Syrien, Ägypten sowie posthum ein Tunesier erhielten den Preis "als Zeichen der Solidarität mit der arabischen Welt".
Von Birgit Schmeitzner, ARD-Hörfunkstudio Brüssel, zurzeit in Straßburg
Die Entscheidung fiel einstimmig. Nach Ansicht des Europaparlaments war es eine klare Sache. Der arabische Frühling verdient es im besonderen Maße, gewürdigt und gestützt zu werden. Parlamentspräsident Jerzy Buzek sprach bei der Verkündung der Sacharow-Preisträger von einem "Zeichen der Solidarität mit der arabischen Welt".
Das Parlament zeige seine Bewunderung für die "Menschen, die die Lage in unserer Nachbarschaft verändert haben". Symbolisch sind das fünf Aktivisten aus der arabischen Welt: ein libyscher Dissident, der jahrzehntelang in Haft saß, eine Rechtsanwältin und ein Karikaturist aus Syrien, eine junge Frau aus Ägypten, die über Facebook Menschenmassen mobilisiert hatte, auf den Tahrir-Platz zu kommen.
Der fünfte Geehrte bekommt den Preis posthum: Es ist der Tunesier Mohammed Bouazizi, der sich aus Verzweiflung über die Lage in seinem Land im vergangenen Dezember selbst angezündet hatte - einer der Auslöser für die Proteste in Tunesien, die schließlich zum Sturz des Diktators Ben Ali führten.
"Er hat sich im Namen der Freiheit geopfert"
Bouazizi sei ein wichtiger Mann, sagte der SPD-Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler: "Das ist sicherlich eine Symbolfigur, eine Selbstverbrennung macht man nicht leichtfertig, ganz im Gegenteil. Und er hat den Menschen gezeigt, wie stark er selbst ist und was Freiheit für ihn bedeutet. Und er hat sich wirklich im Namen der Freiheit geopfert."
Kreissl-Dörfler zufolge ist es wichtig, mit dem Sacharow-Preis Menschen zu ehren, die aufbegehrten und eine friedliche Revolution anstießen. Die großen Fraktionen im Parlament hatten den Vorschlag dazu gemeinsam eingebracht, dementsprechend viel Applaus gab es dann bei der Verkündung. Die CDU-Parlamentarierin Elisabeth Jeggle blickte noch einmal zurück auf die Anfänge des arabischen Frühlings. Sie habe damals die Angst gehabt, dass die Region im Chaos versinke. Das sei zum Glück nicht passiert und so könne man jetzt ein Signal setzen.
Die EU will helfen - nicht diktieren
"Es ist schwierig, sich in so einer Situation nach vorne zu stellen, man verliert möglicherweise sein Leben dabei. Aber man kann auch die Zukunft gewinnen und es sind andere da - hier die EU aktuell - die dabei helfen, diese Zukunft zu gewinnen. Mit mehr Demokratie, mit mehr Menschenrechten, mit mehr Rechtstaatlichkeit", sagte Jeggle.
Helfen - nicht vorschreiben. Und auch das hörte man bei den Parlamentariern immer wieder. Es gehe darum, Hilfe anzubieten, nicht von oben herab etwas vorzugeben. Auch wenn man vielleicht aus westlicher Sicht heraus manches anders machen würde.
Die Hilfe, so hat Kreissl-Dörfler bei ersten Kontakten mit Tunesiern erfahren, wird durchaus gewollt. Aber eben nicht zu jedem Preis. "Wir - und gerade die ehemaligen Kolonialmächte in der Region - müssen lernen, dass wir nicht als die großen Brüder und Schwestern auftreten, sondern wirklich als Partner". Ein guter Vorsatz für die Zukunft, doch zunächst muss erst einmal der Preis übergeben werden, was für Mitte Dezember geplant ist.
Das Europäische Parlament verleiht seit 1988 jährlich den mit 50.000 Euro dotierten "Sacharow-Preis für geistige Freiheit". Geehrt werden Personen oder Organisationen, die sich für die Menschenrechte und gegen Unterdrückung einsetzen.
Zu den Preisträgern zählen der erste schwarze Präsident Südafrikas, Nelson Mandela (1988), der chinesische Bürgerrechtler Hu Jia (2008), die russische Menschenrechtsorganisation Memorial mit den Aktivisten Ljudmila Alexejewa, Oleg Orlow und Sergej Kowaljow (2009) sowie der kubanische Dissident Guillermo Fariñas (2010).
Namensgeber der Auszeichnung ist der Physiker Andrej Sacharow (1921-1989), einer der Entwickler der sowjetischen Atombombe. In den 1970er-Jahren nutze er seine Bekanntheit, um ein "Komitee zur Durchsetzung der Menschenrechte und zur Verteidigung politische Verfolgter" zu gründen. Seine Bemühungen für Dissidenten machten ihn zum Staatsfeind Nummer Eins. Er wurde aus Moskau verbannt und landete im Straflager. Erst 1986 wurde er rehabilitiert.