Nach der Festnahme von Karadzic "Wichtige Etappe auf dem Weg in die EU"

Stand: 22.07.2008 08:05 Uhr

Die Brüsseler Diplomaten sind in der Nacht von der Meldung aus Belgrad überrascht worden: Karadzic ist verhaftet. Damit erfüllt Serbien eine der Forderungen der EU, bevor das Land in die Gemeinschaft aufgenommen werden kann. Vor dem heutigen Treffen der EU-Außenminister, an dem auch der serbische Außenminister Vuk Jeremic teilnimmt, sagte er, die Verhaftung Karadzics sei Teil einer "sehr ehrgeizigen europäischen Tagesordnung" seiner Regierung.

Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel

Von Radovan Karadzic hatte in Brüssel zuletzt kaum noch jemand gesprochen. Das Interesse konzentrierte sich voll auf eine mögliche Festnahme des ebenfalls flüchtigen Ex-Generals Ratko Mladic.

Wie Karadzic steht er ebenfalls unter dem Verdacht schwerer Kriegsverbrechen wie des Massakers von Srebrencia 1995. Dass den serbischen Ermittlern Karadzic jetzt ins Netz ging, ist da eher eine Überraschung. Für Brüssel ist es aber ein Beweis, dass die neue serbische Regierung es ernst meint. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso sprach von einer sehr positiven Entwicklung. Dies sei auch wichtig für Serbiens Bestrebungen mit Blick auf eine spätere EU-Mitgliedschaft.

Belgrad beteuerte immer wieder Unwissenheit

Denn die EU hat stets von Belgrad verlangt, dass das Land vollständig mit dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag zusammenarbeitet. Von dort war die Auslieferung von Karadzic und Mladic gefordert worden. Bis zuletzt hatten die serbischen Regierungsvertreter, die in Brüssel zu Gast waren, immer beteuert, sie wüssten nicht, wo die Flüchtigen seien.

Die EU-Außenminister hatten Serbien Ende April eine weitere Chance zu geben: Um vor den Parlamentswahlen ein europa-freundliches Signal zu setzen, wurde ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien unterzeichnet. Dies gilt gemeinhin als Vorstufe zu einem späteren EU-Beitritt. Die Außenminister knüpften an ihre Unterschrift die Bedingung, das Abkommen könne erst in Kraft treten, wenn Serbien mit Den Haag zusammenarbeite. Im Fall Karadzic ist wenigstens der Beweis erbracht.

Treffen der EU-Außenminister

Serbiens Außenminister Vuk Jeremic wird heute ohnehin zu einem regulären Treffen mit EU-Erweiterungskommissar Oliver Rehn in Brüssel erwartet. Parallel kommen die EU-Außenminister zusammen: Serbien war bislang als Thema gar nicht vorgesehen. Dies ändert sich aber mit der neuen Lage.

Frankreichs EU-Präsidentschaft teilte in der Nacht mit, die Festnahme Karadzics sei eine wichtige Etappe auf dem Weg einer Annäherung Serbiens an die EU. Belgrad hofft, bald den Status eines Kandidaten zu bekommen. Die EU scheut dagegen zeitliche Festlegungen. Die Beziehungen zu Serbien sind auch wegen der Abspaltung des Kosovo und der Anerkennung der ehemaligen serbischen Provinz durch viele EU-Staaten belastet.

Zitat
"Das ist ein wichtiger Tag für die Opfer, die seit über einem Jahrzehnt auf diese Festnahme gewartet haben. Es ist auch ein wichtiger Tag für die internationale Justiz, da dies klar vor Augen führt, dass niemand außerhalb des Gesetzes steht und dass alle Flüchtigen früher oder später der Justiz überstellt werden."

Der Chefankläger beim UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, Serge Brammertz, sagte, dies sei ein wichtiger Tag für die Opfer. Sie hätten zehn Jahre lang gewartet. In Den Haag wartet man nun gespannt auf die Entscheidung der serbischen Justiz, ob und wann Karadzic nach Den Haag überstellt wird. Ihn erwarte ein fairer Prozess nach internationalem Recht, hieß es in einer Mitteilung aus der Nacht.

Eigentlich soll das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien bis Ende dieses Jahres alle Verfahren in der ersten Instanz abgeschlossen haben: so will es die UNO. Das ist im Falle eines möglichen Prozesses gegen Karadzic zeitlich ausgeschlossen. Die UNO muss entscheiden, ob die Frist verlängert wird.