"Intrige"-Premiere Meinungskampf um Polanski-Film
Der Film "Intrige" von Roman Polanski ist in den deutschen Kinos gestartet. In Frankreich hat der Film bereits für Wirbel gesorgt, vor allem wegen neuer Vergewaltigungsvorwürfe gegen Polanski.
Es war wohl kein peinlicher Versprecher, sondern eine gut überlegte Kritik an der gleich zwölffachen Nominierung von Roman Polanskis Film "Intrige" durch die Académie des César. Der Film erzählt die Geschichte des jüdischen Hauptmanns Alfred Dreyfus, der Ende des 19. Jahrhunderts wegen der antisemitischen Stimmung im Militär zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt worden war. Im französischen Original trägt er den Titel "J’accuse" - auf Deutsch: Ich klage an.
Neue Vergewaltigungsvorwürfe gegen Polanski
Schauspielerin Florence Foresti, gleichzeitig Patin der französischen Organisation "Women Safe", erntet für ein Statement vor allem in den sozialen Netzwerken viel Applaus:
Für den César des besten Drehbuchs sind nominiert: Costa Gavras mit 'Adults in the Room' und Roman Polanski mit 'Ich bin angekla … äh Ich klage an.
Seit Anfang November, seit das ehemalige französische Model Valentine Monnier kurz vor dem Filmstart neue Vergewaltigungsvorwürfe gegen Star-Regisseur Polanski erhoben hat, tobt ein Meinungskampf darüber, ob sich die Kunst vom Autor trennen lässt, ob es moralisch vertretbar ist, sich den neuen Film eines Regisseurs anzuschauen, der wiederholt der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung bezichtigt wurde.
"Polanski Vergewaltiger, Publikum Komplize", skandierten frankreichweit Frauen und Männer vor den Kinosälen bei der französischen Premiere von Polanskis Film über die Dreyfus-Affäre. Einige Aufführungen wurden deshalb sogar abgesagt. Und die zwölffache César-Nominierung von Polanskis historischem Drama hat die Debatte weiter angeheizt.
Staatssekretärin Schiappa meint, das französische Kino habe nichts aus #MeToo gelernt.
Marlène Schiappa, Staatssekretärin für die Gleichstellung von Mann und Frau, erklärt: "Ich habe das Gefühl, dass das französische Kino nichts aus der #MeToo-Debatte, aus dem Kampf gegen sexuelle Belästigung und Gewalt gelernt hat. Es würdigt eine Person, die von mehreren Frauen der Vergewaltigung bezichtigt wird. Ich finde das schockierend."
Seit Monaten hat sie sich zusammen mit der Regierung den Kampf gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen auf die Fahnen geschrieben, hat Frauen, wie die Schauspielerin Adèle Haenel unterstützt, die erst nach Jahren ihr Schweigen gebrochen haben. Gegen Haenels mutmaßlichen Peiniger, den Regisseur Christophe Ruggia läuft ein Verfahren wegen sexueller Nötigung von Minderjährigen.
Zwölf Nominierungen
Der Fall, der im November publik wurde, hat die #MeToo-Debatte in der französischen Filmbranche erst aus der Versenkung gehoben. Es schien, als sei der französische Kulturbetrieb aufgewacht. Weit gefehlt, sagt Céline Picques von der Organisation "Osez le Féminisme":
"Dieselben, die Adèle Haenel unterstützt haben, beklatschen nun Roman Polanski. Ich bin sprachlos über Frankreichs Filmwelt, die seinen Film in zwölf Kategorien für den César nominiert hat", sagt sie. "Zwölf, das ist auch die Zahl der Frauen, die ihn der Vergewaltigung bezichtigt. Das ist skandalös!"
Polanski weist Vorwürfe zurück
Polanski weist die Vorwürfe zurück. Selbst Jude und Überlebender des Krakauer Ghettos vergleicht er sich mit Dreyfus, der zu Unrecht verdächtigten Hauptfigur seines Films. Trotz der heftigen Diskussion um den Regisseur hat ein großer Teil der mehr als 4000 Mitglieder der Académie des César für Polanskis Film gestimmt.
"Wir sind keine moralische Instanz", erklärt Alain Terzian, Präsident der Académie des Césars. "Alle Filme, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember rausgekommen sind, können nominiert werden. Diese Frage betrifft mich nicht. Was wollen sie denn von mir hören? 1,5 Millionen Franzosen haben den Film gesehen. Befragen sie die doch dazu."
Die Film-Premiere in Frankreich löste im November Proteste aus.
Filmisch ein Meisterwerk, da sind sich viele Kritiker einig. Die Thematik ist dazu hoch aktuell. In Frankreich steigt die Zahl der antisemitischen Übergriffe seit Jahren an.
Mit den zwölf Nominierungen führt "J'accuse" die Liste für den französischen Filmpreis an und geht als absoluter Favorit ins Rennen. Frankreichs Kulturminister Frank Riester meint, man dürfe den Künstler nicht mit seinem Werk verwechseln. Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler in ganz Frankreich sehen das anders.