Wahl im Vereinigten Königreich Britischen Tories droht historische Abwahl
Im Vereinigten Königreich stehen die konservativen Tories nach mehr als einem Jahrzehnt vor ihrer Abwahl. Bei der Parlamentswahl wird ein klarer Sieg der sozialdemokratischen Labour-Partei erwartet. Ab 23.00 Uhr gibt es erste Prognosen.
Premierminister Rishi Sunak und seiner konservativen Partei droht bei der Parlamentswahl in Großbritannien eine deutliche Niederlage. Experten erwarten einen Sieg der sozialdemokratischen Labour-Partei von Keir Starmer, der dann die Nachfolge von Sunak antreten würde. Die Wahllokale schließen um 23 Uhr deutscher Zeit, kurz darauf wird es erste Prognosen geben.
Erreicht Labour historische Mehrheit?
Die konservativen Tories regieren seit 14 Jahren im Vereinigten Königreich - mit den Premiers David Cameron (2010-2016), Theresa May (2016-2019), Boris Johnson (2019-2022), Liz Truss (2022) und Sunak (seit 2022) an der Spitze.
Der Wechsel an der Macht könnte ein historisches Ausmaß erreichen: Projektionen sagen Labour weit mehr als 400 der 650 Mandate im Unterhaus (House of Commons) voraus. Damit liegt die Partei auf Kurs, die größte Mehrheit seit rund 190 Jahren zu erringen.
Zwar sehen Umfragen Labour bei weniger als 40 Prozent der Stimmen. Im britischen Mehrheitswahlrecht gewinnt aber nur die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen den Wahlkreis. Alle übrigen Stimmen haben keine Auswirkung.
Die wachsende Zustimmung für kleinere Parteien könnte die Konservativen darüber hinaus schwächen. Auch Premier Sunak könnte seinen Wahlkreis und damit auch seinen Sitz im Parlament verlieren.
Farage steht vor Einzug ins Unterhaus
Die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorantrieb, dürfte erstmals ins Unterhaus gewählt werden. Offen ist, wie viele Wahlkreise die ehemalige Brexit-Partei gewinnen kann. Experten rechnen vor allem damit, dass Farage und Co. die Konservativen viele Stimmen am rechten Rand kosten.
Nigel Farage steht vor seinem ersten Einzug in das Unterhaus.
Über Nacht werden nach und nach die Ergebnisse der 650 britischen Wahlbezirke eintreffen. Die ersten Prognosen ab 23 Uhr deutscher Zeit beruhen auf sogenannten Nachwahlbefragungen, welche in der Regel ein ziemlich präzises Bild davon zeichnen, wie sich die Parteien geschlagen haben.
Gut 6,7 Millionen Menschen nutzten die Möglichkeit zur Briefwahl. Bei der bisher letzten Wahl 2019 hatten die Tories 365 Sitze gewonnen, Labour hatte 202 Mandate.
Tory-Wahlkampf mit negativen Themen
Die Tories hatten bis zuletzt vor allem einen Negativ-Wahlkampf geführt, vor Steuererhöhungen durch eine Labour-Regierung gewarnt und ein härteres Vorgehen bei den Themen Migration und Sicherheit angekündigt. Dagegen warb Labour-Chef Starmer für eine Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik, versprach ein langfristiges Wirtschaftswachstum und präsentierte sich vor allem als Diener des Landes.
Vor Öffnung der Wahllokale behauptete Sunak in stündlichen Posts auf X, die Sozialdemokraten planten Steuererhöhungen auf breiter Fläche. Das stimmt nach Einschätzung von Kommentatoren nicht, Labour-Chef Starmer weist den Vorwurf zurück. Er kündigte ein "neues Zeitalter der Hoffnung und Chancen" an.
Schottischer Unabhängigkeitsbewegung droht Rückschlag
In landesweit mehr als 40.000 Wahllokalen in Kirchen, Gemeindezentren und Schulen konnten die Wähler ihre Stimme abgeben. Manche mussten dafür auch ungewöhnlichere Orte wie Pubs oder sogar ein Schiff aufsuchen.
Die Konkurrenten Starmer und Sunak gaben ihre Stimmen bereits am Vormittag ab. Die britische Parlamentswahl wirkte sich auch auf die Kurse an der Londoner Börse aus: Dort legte das Pfund im Vergleich zum Dollar am Wahltag zu.
Die Wahl könnte auch Auswirkungen auf die Debatte um eine schottische Unabhängigkeit haben. Sollte die Schottische Nationalpartei (SNP) von Regierungschef John Swinney, die für eine Unabhängigkeit von Großbritannien und eine Rückkehr in die EU eintritt, im nördlichen britischen Landesteil weniger Sitze gewinnen als Labour, dürfte die Frage vorerst keine Rolle spielen.
Der König gibt den Auftrag zur Regierungsbildung
Sollten sich die Vorhersagen bewahrheiten und die Tories nach mehr als einem Jahrzehnt im Amt die Macht abgeben müssen, wird Sunak am Freitag bei König Charles III. seinen Rücktritt einreichen müssen. Wenig später wird der König Starmer dazu einladen, als Premierminister die nächste britische Regierung zu führen.