Tag eins nach der Wahl von Franziskus Ein Papst, der in keine Schublade passt
Schlicht und bescheiden gibt sich der neue Papst auch am ersten Arbeitstag nach seiner Wahl: Doch wofür steht der Papst eigentlich? Ist er ein Reformer? Ist er ein Konservativer? Bislang scheint es noch keine Antworten zu geben. Fest steht bislang nur: Franziskus passt in keine Schublade.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Er soll lange nachgedacht haben, ob er diese Aufgabe überhaupt annimmt. Von 20 Minuten Bedenkzeit ist die Rede. Erst nachdem Jorge Mario Bergoglio Ja gesagt und den Namen Franziskus gewählt hatte, konnte weißer Rauch aufsteigen. Mehr als eine Stunde später trat der neue Papst auf die Loggia des Petersdoms und überraschte die Römer und die Welt: Ein schlichtes: "Buona Sera", "Guten Abend!", so spricht der neue Pontifex Maximus.
Verzicht auf die päpstliche Edelkarosse
Unmittelbar nach seinem Auftritt hat Franziskus bestätigt, was man sich über den ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires erzählt: Der Mann fährt lieber Bus statt Limousine. "Das Festtagsauto SCV1 war für den Papst vorgefahren, doch er wollte mit allen anderen Kardinälen mit dem Bus fahren. Er wollte so zurückfahren, wie er auch gekommen war - gemeinsam mit den anderen", sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Der Mann ist Jesuit. Er hat ein Armutsgelübde abgelegt und will sich offenbar auch als Papst daran halten. Auch am Tag eins nach der Wahl dasselbe Spiel, ein schlichter Wagen aus dem Vatikanfuhrpark und nicht die päpstliche Edelkarosse bringt Papst Franziskus zur Basilika Santa Maria Maggiore.
Ein stilles Gebet
Franziskus betet mehrere Minuten lang in Stille vor dem Marienbild, das die Römer dort verehren und spricht anschließend mit den in der Kirche anwesenden Beichtvätern, denen er nur einen Satz mitgibt: "Seid barmherzig!", sagt der neugewählte Papst. Das scheint zum prägenden Motiv dieses Pontifikats zu werden, Franziskus wählt als Leitspruch: "Miserando atque eligendo". Ein Zitat des Kirchenlehrers Beda, das die Haltung Jesu gegenüber dem sündigen Zöllner beschreibt: Er erbarmte sich seiner und erwählte ihn. Das passt zum Namen, den sich dieser Papst aus Argentinien ausgesucht hat: Franziskus, der Heilige, der an der Seite Armen stand.
Aus all dem ein Regierungsprogramm für dieses Pontifikat abzuleiten, hält der Münchener Kardinal Reinhard Marx allerdings für überzogen: "Ein Papst hat nicht sein Programm durchzuführen, sondern das Evangelium zu verkünden. Das gilt für alle Päpste. Wir sind ja nicht hier in der Politik."
Ein Reformer?Ein Konservativer?
Viel wird gerätselt, in welche Schublade dieser Papst passt. Ist er Reformer, weil er aus dem Reformorden der Jesuiten kommt? Ist er ein Konservativer, weil er in Argentinien gegen Homoehe und Abtreibung auftrat. Der Jesuitenpater Bernd Hagenkord sagt: Dieser Papst passe in keine Schublade. "Das zeigt nicht, dass er nicht weiß, was er will. Sondern unsere Kategorien stimmen nicht mehr. Wir müssen uns in Europa Gedanken machen, wie wir da sehen wollen. Das ist auch das Schöne an dieser Geschichte: Die Schubladen stimmen nicht mehr", fügt Hagenkord hinzu.
Das Alter und die Gesundheit
Wenn heute überhaupt Zweifel oder Kritik an dieser Papstwahl laut wurden, dann deshalb, weil die Kardinäle wieder einen alten Mann zum Papst gewählt haben, einen 76-Jährigen. Dazu kommen erste Spekulationen über den Gesundheitszustand des neuen Papstes, die Vatikansprecher Lombardi umgehend korrigiert: "Vor sehr, sehr vielen Jahren hat man ihm bei einer Operation einen Teil seiner Lunge entfernt. Diejenigen, die ihn seit 30, 40 Jahren kennen, sagen, dass sie ihm immer bei bester Gesundheit begegnet sind. Insofern sollte die Gesundheit kein Handicap für sein Leben und sein Amt sein."
Ein Treffen mit Bendedikt XVI.
Federico Lombardi bestätigte außerdem, dass Papst Franziskus bereits mit seinem Amtsvorgänger Benedikt XVI. telefoniert habe. In den kommenden Tagen soll auch eine persönliche Begegnung zwischen dem emeritierten und dem neugewählten Papst stattfinden.