Rede vor Parlamentariern in Straßburg Papst will ein Europa für die Menschen
Papst Franziskus hat vor dem Europaparlament klare Worte gefunden in seinem Bestreben nach mehr Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft. Nicht die Wirtschaft, sondern der Mensch müsse im Mittelpunkt stehen. Erneut kritisierte er die Flüchtlingspolitik.
Papst Franziskus hat vor dem EU-Parlament zu einer Rückbesinnung auf die Werte der Europäischen Union aufgerufen, zur Achtung der Menschenwürde und zur Solidarität mit den Armen. Viele Menschen seien heute in Europa einsam, etwa Alte, Arme, Jugendliche ohne Zukunftschancen oder auch Einwanderer, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche vor Europaabgeordneten in Straßburg. Diese Einsamkeit sei durch die Wirtschaftskrise noch verschärft worden.
Der Mensch müsse wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte gestellt werden, bei der heute technische und wirtschaftliche Fragen vorherrschten, mahnte der 77-Jährige. Ansonsten sei er in Gefahr, zu einem "bloßen Räderwerk in einem Mechanismus herabgewürdigt zu werden". Dadurch werde er wie ein Konsumgut behandelt, das "ohne viel Bedenken" ausgesondert werde, wenn es diesem Mechanismus nicht mehr zweckdienlich sei.
"Mittelmeer darf kein großer Friedhof werden"
Nachdrücklich appellierte der Papst an die EU-Staaten, gemeinsam das Migrationsproblem anzugehen. Sie dürften nicht länger hinnehmen, dass "das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird". Auf den Kähnen, die täglich an den europäischen Küsten landeten, seien "Männer und Frauen, die Aufnahme und Hilfe brauchen". Die EU-Staaten müssten sich angesichts dieser Situation gegenseitig unterstützen anstatt Lösungen anzuregen, welche die Menschenwürde der Einwanderer verletzten und Sklavenarbeit sowie soziale Spannungen förderten. Die EU könne die mit der Einwanderung verbundenen Probleme nur mit Gesetzen bewältigen, welche die Rechte der europäischen Bürger schützen und zugleich eine Aufnahme der Migranten garantieren, betonte Franziskus. Dazu seien "korrekte, mutige und konkrete politische Maßnahmen" notwendig.
Kritische Töne waren erwartet worden
Papst Franziskus komme nicht als Politiker nach Straßburg. Das hat Vatikansprecher Federico Lombardi im Vorfeld klar gemacht. Es war aber erwartet worden, dass seine Botschaft eine politische sein könnte. Das Kirchenoberhaupt hat in der Vergangenheit bereits klare Worte an die Verantwortlichen in Europa gerichtet. Eine seiner ersten Reisen hatte ihn in das Flüchtlingslager auf Lampedusa geführt.
Franziskus ist der zweite Papst, der die europäischen Institutionen in Straßburg besucht. Als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche sprach im Oktober 1988 Johannes Paul II. vor dem Europaparlament. Der gebürtige Pole plädierte damals - ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer - für ein geeintes, christliches und nach Osten hin geöffnetes Europa.