Wenn der Treibstoff der Welt versiegt, Teil II Schwindende Reserven - mehr Kriege ums Öl
Derzeit werden weltweit rund 81 Millionen Barrel Öl pro Tag gefördert, bis 2035 könnte die Förderung um mehr als 50 Millionen Barrel pro Tag sinken. Mit unabsehbaren Folgen - Experten befürchten neue politische und militärische Konflikte. Tagesschau.de berichtet in der Reihe "Wenn der Treibstoff der Welt versiegt" über die möglichen Konsequenzen.
Dass die Ölvorräte weltweit schwinden, betrifft auch die Armeen massiv: Panzer oder Jets verbrauchen riesige Mengen Treibstoff. Die Kontrolle über die Reserven wird wichtiger, Kriege um sie wahrscheinlicher. Die Suche nach Alternativen läuft - doch ob die reichen werden, scheint ungewiss.
Von Jürgen Döschner, WDR, ARD-Taskforce Energie
Bagdad, 20. März 2003: Mit einem Bomben- und Raketenhagel eröffnen die US-Streitkräfte den Krieg gegen den Irak. Ein Krieg ums Öl, sagte damals wie heute der US-Friedens- und Konfliktforscher Michael Klare. Und er ist fest davon überzeugt: Es wird nicht der letzte sein.
"Das Öl geht uns ganz allmählich aus. Aber zugleich bleiben wir extrem abhängig von diesem restlichen Öl", meint er. Und in dieser Phase von heute bis zum völligen Verschwinden des Öls werde der verbliebene Rest extrem teuer: "Deshalb wird der Kampf um die Kontrolle über diesen Rest immer heftiger."
Zugang zum Öl als Überlebensfrage
Für die hypermobilen westlichen Industrienationen ist der Zugang zum Öl inzwischen eine Überlebensfrage, und der Einsatz militärischer Gewalt zur Sicherung der Ölversorgung ist in vielen Staaten fester Bestandteil der nationalen Sicherheitsdoktrin. Dabei ist auch das Militär selbst angewiesen auf das "Schwarze Gold". "Die Streitkräfte sind heutzutage so abhängig vom Öl wie nie zuvor", sagt Klare. Im Zweiten Weltkrieg habe eine Armee im Einsatz beispielsweise pro Tag und Soldat 15 Liter Öl verbraucht. Heute seien es im Schnitt 60 Liter pro Tag und Soldat.
Beispiel Kampfpanzer Leopard 2: Verbrauch auf 100 Kilometern bis zu 530 Liter Diesel. Ein moderner Kampfjet verbrennt pro Stunde zwischen 2000 und 6000 Liter Kerosin. Öl ist für die Streitkräfte lebenswichtig, und so führt das Militär nicht nur Kriege ums Öl - es fördert sie auch, sagt Friedensforscher Klare.
Als Saddam Hussein 1990 Kuwait überfiel, sei das eine Bedrohung für die Kampfkraft der US-Truppen in der Region gewesen. "Das war sicher einer der Gründe, der die Bush-Regierung damals zum Eingreifen bewogen hat", meint er: "Das Militär selbst hing von den Ölquellen in Saudi-Arabien und Kuwait ab."
Das Pentagon sucht nach Alternativen
Das US-Militär hat schon längst erkannt, welche Gefahr die ausgehenden Ölreserven für ihre Einsatzfähigkeit darstellen. Schon 2006 beschwor der US-Wissenschaftler Michael Hornitschek in einer vom Pentagon in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel "War without oil" den baldigen Öl-Ausstieg des Militärs. Nur so sei der "American Way of War" sicher zu stellen.
US-Marineminister Ray Mabus verkündete jüngst, dass seine Truppen bis 2020 die Hälfte der Energie aus nichtfossilen Quellen beziehen wollen: "Wir sind anfällig für Versorgungskrisen - und selbst wenn wir genug Öl bekommen, sind wir anfällig für Preisschocks. "Als der Einsatz in Libyen losgegangen sei und der Ölpreis nach oben schoss, habe das allein die US-Marine eine Milliarde Dollar gekostet. Mabus' Fazit: "Weg vom Öl - das bedeutet Stärkung unsere Kampfkraft."
Flugbenzin aus Algen?
Das Pentagon ist nicht nur der größte einzelne Ölverbraucher weltweit - es ist inzwischen auch Vorreiter bei der Suche nach Alternativen zum Öl. Es gibt sogar schon erste Erfolge, Flugbenzin aus Algen zum Beispiel.
Doch selbst wenn es bald gelänge, solchen Ersatz für Kerosin und Diesel in ausreichender Menge und wirtschaftlich zu produzieren: Für die Militärs wäre damit das Treibstoffproblem längst noch nicht gelöst, sagt Friedensforscher Klare: "Was ist mit den ganzen Ausrüstungen - Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber - Material für Hunderte Milliarden Dollar? Die wenigsten vertragen diese alternativen Treibstoffe, jedenfalls nicht in ihrer jetzigen Form."
Vom "War without oil", dem Krieg ohne Öl ist die weltweite Militärmaschinerie also noch weit entfernt. Und so paradox es klingen mag: Eben deshalb wird es in Zukunft umso mehr Kriege ums Öl geben.